Schattenelf - 2 - Das Turnier
unterhalb der Schulter traf. Zu Aydrians Freude und dem Leidwesen seines Gegners brach diese Lanze nicht sofort, sondern hob ihn glatt aus dem Sattel, wo er eine ganze Weile mitten in der Luft zu schweben schien, bevor er scheppernd in den Staub krachte.
Entschlossen rappelte sich der Adlige wieder auf und zog sein gewaltiges Schwert, woraufhin die Menge Tai’maqwilloq begeistert anfeuerte, dem Kampf ein Ende zu machen.
Aydrian sah den Knappen an, als der ihm die dritte Lanze reichte. »Eine steht Euch noch zu«, sagte der zahnlose Knappe mit einem breiten Grinsen.
»Ihm auch«, erinnerte ihn Aydrian.
»Schon möglich, nur hat er jetzt kein Pferd mehr, oder?«
Aydrian nahm die Lanze lachend entgegen. »Muss ich auf meiner Seite des Geländers bleiben?«, fragte er.
Der Knappe sah ihn ungläubig an; Aydrian konnte seine Verwirrung durchaus verstehen. Wie war es möglich, dass ein so gewandter Kämpfer wie er die Regeln des Tjosts nicht kannte?
»Der ganze Platz steht Euch offen«, erwiderte der Knappe. »Reitet ihn einfach nieder und dann an ihm vorbei. Aber gebt Acht; er ist jetzt zu Fuß, das macht Euer Pferd zu einem leicht angreifbaren Ziel.«
Aydrian wandte sich wieder zum Turnierplatz und dem wartenden Adligen um. Der Mann ließ eine Schulter hängen und stand unsicher auf den Beinen. Der junge Krieger spielte mit dem Gedanken, abzusitzen und zu Fuß gegen ihn zu kämpfen, besann sich dann aber rasch eines Besseren, da er nicht die Absicht hatte, seinen zukünftigen Gegnern schon jetzt sein ganzes Kampfgeschick zu offenbaren.
»Er wird nicht mal in die Nähe meines Pferdes gelangen«, antwortete Aydrian dem Knappen, dann bohrte er seine Fersen in Symphonies Flanken, so dass der Hengst mit einem gewaltigen Satz davonsprengte.
Natürlich versuchte der Adlige auszuweichen, doch für ein solches Manöver war Aydrian viel zu schnell. Durch eine leichte Veränderung des Winkels traf er den Mann mit der Lanze mitten in die Brust, hob ihn von den Füßen und warf ihn auf den Rücken.
Am Ende des Geläufs machte Aydrian kehrt und beobachtete, wie sein hartnäckiger Widersacher abermals auf die Beine zu kommen versuchte. Fast wäre es ihm auch gelungen, dann aber kippte er einfach zur Seite in den Staub und blieb Blut spuckend liegen.
Die Helfer zerrten ihn vom Turnierplatz, und die Menge rief johlend Tai’maqwilloqs Namen.
Daraufhin begab sich Aydrian zum Rand des Platzes, zu seinen persönlichen Knappen, unter ihnen die verkleidete Sadye.
»Euer nächster Gegner wird ein Allheart-Ritter sein«, erklärte sie. »Der Anführer Eurer Gruppe.«
Ein Lächeln spielte um Aydrians Lippen.
Der Allheart-Ritter ging beim ersten Zusammenprall zu Boden und stand auch nicht mehr auf. Aydrian hatte sein Schild im allerletzten Augenblick perfekt in Position gebracht, so dass die Lanze des Ritters daran abglitt und ihn verfehlte; gleichzeitig hatte er seine Lanze gegen die gepanzerte Brust des Ritters gestoßen, und Aydrian bekam den härtesten Zusammenprall zu spüren; fast hätte es ihn selbst aus dem Sattel geworfen.
Der junge Krieger glaubte tatsächlich vom Pferd zu stürzen und hielt das Turnier bereits für verloren, denn als er sich umschaute, sah er den Ritter der Allhearts noch immer im Sattel seines dahinrasenden Pferdes sitzen.
Dennoch war der Kampf zweifellos vorbei, denn der Mann hatte vollständig das Bewusstsein verloren. Sein gut trainiertes Pferd lief weiter, der Mann jedoch glitt seitlich aus dem Sattel, prallte gegen das Trenngeländer, wurde herumgewirbelt und landete genau darunter auf dem Boden.
Das Beifallsgeschrei der Menge erreichte einen neuen Höhepunkt, doch schwang im Jubel jetzt ein neuer Beiklang mit, wie Aydrian deutlich heraushörte. Zuvor hatte der Jubel einem jungen, unbekannten Krieger gegolten. Jetzt aber wurde ein Mann umjubelt, der soeben einen Ritter der Allhearts besiegt hatte, ein Mann, der dazu ausersehen schien, Herzog Targon Bree Kalas herauszufordern.
Kurz darauf wurden durch Los die Paarungen der vier Teilnehmer des Endkampfes bestimmt, und wie De’Unnero vorausgesehen hatte, musste sich Aydrian nicht mit Herzog Kalas, sondern mit einem weiteren der Allhearts messen, dem bei weiten hünenhaftesten aller Teilnehmer, einem Mann, der seine Gruppe mühelos dominiert hatte.
Durch Losentscheid wurde bestimmt, dass Herzog Kalas und sein Gegner zuerst den Platz betreten sollten.
Aydrian führte Symphonie zum Rand des Turnierplatzes, zu Sadye und seinen anderen
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