Schattenelf - 2 - Das Turnier
seine Körperhaltung zeigte, schien der Mann ehrlich überrascht, als er diesen anderen offensichtlich begüterten Ritter auf sich zufliegen sah. Er konnte sein Pferd mit knapper Not gerade noch in Position bringen; bedeutend schwerer fiel es ihm dann schon, seine Keule gegen Aydrians Seitenschwung nach oben zu reißen.
Es war ohnehin egal, der Seitenschwung war eine Finte. Unmittelbar nach dem Zusammenprall mit der Waffe seines Gegenübers ließ Aydrian seine Keule los, packte stattdessen, als die Pferde einander passierten, Raubvogels Handgelenk, umklammerte es mit beängstigender Kraft und grub Symphonie die Sporen in die Flanke.
Das Pferd schoss vorbei, um unmittelbar hinter Raubvogels Ross scharf abzuschwenken. Aydrians Griff lockerte sich nicht.
Raubvogel wurde herumgerissen, flog aus dem Sattel, drehte sich einmal, hilflos mit Armen und Beinen rudernd, in der Luft und landete mit dem Gesicht voran auf dem Boden.
Die Menge johlte entfesselt.
Aydrian hatte jetzt keine Waffe mehr, aber das spielte praktisch keine Rolle. Die fünf übrigen Kämpfer wollten mit ihm nichts zu schaffen haben, also paradierte der junge Krieger, wo immer er vorüberkam gewaltigen Beifall erntend, einmal um den gesamten Turnierplatz herum, während die anderen einander gegenseitig ausschalteten, bis nur noch zwei übrig waren.
Die drei verbliebenen Krieger lenkten ihre Streitrösser im Schritt vor den König, der sie des Tjosts für würdig erklärte.
Die ganze Zeit über hatte Königin Jilseponie, einen Ausdruck völliger Verwirrung im Gesicht, Aydrian nicht aus den Augen gelassen. Herzog Kalas dagegen strafte ihn mit einem Blick unverhohlener Verachtung.
De’Unneros Lächeln hatte nichts von seiner Strahlkraft eingebüßt.
Alles lief perfekt.
»Er wird drei Tjoste gewinnen müssen, bevor er gegen den Anführer seiner Gruppe, einen Ritter der Allhearts, antreten kann«, sagte Sadye zu De’Unnero, als sie um die Mittagszeit durch die fröhlich feiernde Menge schlenderten. Wie vorher abgesprochen, hatte Sadye Aydrian unmittelbar nach seinem Sieg bei den vormittäglichen Ausscheidungskämpfen vom Festgelände geschickt, wo er von Agenten in Empfang genommen wurde, die ihn fast gewaltsam von seinen bäuerlichen Bewunderern und den Adligen mit ihren bohrenden Fragen hatten wegdrängen müssen.
Ihr Schützling hatte am Vormittag einen ziemlichen Eindruck hinterlassen, vor allem bei Kalas und den anderen Rittern. Am meisten gefiel De’Unnero die Reaktion, die er allenthalben im gemeinen Volk beobachtete. In jedem Winkel des weitläufigen Festgeländes hörte man jetzt, wie aufgeregt der Name Tai’maqwilloq genannt wurde. Vor Aydrians Erscheinen waren die Tjoste zwar durchaus unterhaltsam, in den Augen der Bauern und vieler Teilnehmer jedoch eher eine Schaudarbietung als ein echter Wettkampf gewesen. Nicht ein einziges Mal war Herzog Kalas besiegt worden; dabei war er nahezu gegen alle anwesenden Gegner mehr als einmal angetreten. Es schien ausgemacht, dass Herzog Kalas zum Kämpen des Königs ernannt werden sollte, daher auch die große Aufregung, als Raubvogel plötzlich seinen Auftritt hatte. Er war ein Adliger von Mantis Arm, dem Vernehmen nach ein Furcht erregender Lanzenkämpfer, der zudem noch nie gegen Kalas angetreten war.
Das gemeine Volk hatte gehofft, dieser Mann werde sich als eine echte Herausforderung entpuppen.
Und dann war dieser Tai’maqwilloq aufgekreuzt, in einer Rüstung, wie sie prunkvoller keiner von ihnen jemals gesehen hatte, auf einem prächtigen Pferd und mit einem fantastischen Schwert, und hatte scheinbar mühelos Raubvogel und drei weitere Ritter mit brillantem Kampfgeschick und schierer Kraft ausgeschaltet.
Mit einem Schlag schien das Turnier noch aus ganz anderen Gründen sehenswert als nur aufgrund des reinen Spektakels der Kämpfe.
Das alles hörte De’Unnero sich an, und wann immer sich eine Gelegenheit bot, gab er seine eigene Einschätzung zum Besten, um die Stimmung weiter anzuheizen.
»Richtig, und nach fünf Siegen kann er gegen Kalas antreten«, erklärte De’Unnero.
»Nach vier, falls das Los die drei Gruppensieger und Kalas zusammenführt«, sagte Sadye.
»Das wird nicht passieren«, erwiderte De’Unnero. »Wenn Aydrian in die Endausscheidung vorgerückt ist, wird der größte Reiz darin liegen, dass er erst dort auf Kalas trifft. Diesen Kampf werden sie sich für den Schluss aufsparen.«
Schmunzelnd hörte Sadye zu, wie er seine Einschätzung zum Besten gab, denn jetzt
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