Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
unsicher die Hände. Plötzlich wurde ihm bewusst, in welcher Körperhaltung und mit welchem Gesichtsausdruck er hier zu Werke ging; er blieb stehen und musste lachen. Einem zufälligen Beobachter wäre er vollkommen unauffällig erschienen, schließlich näherten sich alle Anhänger Yatols dem Kelch auf die gleiche leicht unsichere, ehrfürchtige Weise. Die feine Ironie war ihm dennoch nicht entgangen; obwohl er das passende Gesicht aufgesetzt hatte, tat er es aus ganz anderen Gründen, als seine Untertanen zu wissen meinten.
In Yakim Douans Augen enthielt dieser Kelch nichts Heiliges oder auch nur Spirituelles, was seiner Wertschätzung für diesen Gegenstand jedoch keinen Abbruch tat. Denn in seinem Innern lag, bedeckt vom Blut, jener Edelstein, den zu beherrschen er gelernt hatte, und damit das Geheimnis seiner Unsterblichkeit.
Was zählten schon die Götter der anderen, wenn sie einem nicht eben diese Hoffnung geben konnten?
Kaum hatte er die Hände um den verzierten Kelch gelegt, spürte Yakim Douan bereits die Verbindung zu seinem kostbaren Stein. Natürlich hatte er gewusst, dass er dort lag und dass er freien Zugang zu ihm hatte – trotzdem spürte er stets eine ungeheure Erleichterung, wenn die Verbindung hergestellt wurde.
Er ließ sich tief in den Stein sinken, ging gleichzeitig tief in sich und erforschte seinen alternden Körper bis in den letzten Winkel.
Er entdeckte die schmerzenden Bereiche, die verhärtete Muskulatur und die porösen Knochen, und bediente sich der Magie des Hämatits, um sich Erleichterung zu verschaffen und neue Kraft zu schöpfen. Lange Zeit stand Yakim Douan da und befreite seinen Körper von Verunreinigungen und Krankheiten. Er wusste, es war nur eine vorübergehende und unvollkommene Linderung des einen, unheilbaren Gebrechens, des Älterwerdens. Aber zumindest würde er auf diese Weise die kommenden Monate halbwegs komfortabel überstehen, bis es an der Zeit war, der unausweichlichen Folge des Alterns abermals ein Schnippchen zu schlagen.
Dass Merwan Ma an jenem Tag auf den Chezru-Häuptling Yakim Douan stieß, war purer Zufall. Er hatte sich nur deshalb zur Kammer des Kelches begeben, weil er dort sauber machen wollte; schließlich konnte man die Reinigung eines heiligen Ortes nicht einfachen Dienern überlassen.
Er war ziemlich überrascht, Yakim Douan dort drinnen anzutreffen, so sehr, dass er sogar einen leisen Schrei ausstieß, als er den Chezru bemerkte.
Yakim Douan dagegen, zu diesem Zeitpunkt völlig in seiner Magie versunken, hörte ihn nicht einmal.
Vor allem diese ausbleibende Reaktion war es, die Merwan Mas Neugier weckte. Er machte sich Vorwürfe, die Stimme Gottes gestört zu haben, und wollte sich bereits wieder aus der Kammer schleichen, als ihn seine angeborene Neugier einen winzigen Augenblick zögern ließ.
Was hier geschah, war für Merwan Ma vollkommen unbegreiflich, denn von einem solchen Ritual hatte ihm die Stimme Gottes nie etwas erzählt. Obwohl ihm klar war, dass man Yakim Douan weder in Zweifel ziehen durfte, noch dieser in spirituellen Dingen irren konnte, legte sich irgendetwas an der ganzen Situation wie eine schwere Last auf seine Schultern.
Die Erkenntnis dieses Unbehagens bewog den ergebenen Diener Yatols, sich abermals einen Tadel zu erteilen, und erinnerte ihn daran, wie unwissend er doch war.
Unwissend.
Hastig verließ er die Kammer, sorgfältig darauf bedacht, die Tür leise hinter sich zu schließen, um den großen Chezru-Häuptling nicht zu stören.
Bewusst verdrängte er sein Unbehagen.
Sein Unterbewusstsein jedoch ließ sich nicht so einfach kontrollieren.
13. Mein Pferd? niemals!
Er war ein To-gai-ru, kein Behreneser. Das war Brynn vom ersten Augenblick an klar gewesen, als sie den mit Wandteppichen behängten Saal im Yatol-Tempel betrat und plötzlich vor Yatol Daek Gin Gin Yan stand. Sein Haar war glatt und rabenschwarz, und seine Haut wies nicht die feine Schokoladenbräune auf, die bei den Behrenesern am weitesten verbreitete Hautfarbe, sondern wirkte wegen eines leichten Stichs ins Gelbliche unter dem satten Braun, für das die To-gai-ru bekannt waren, frischer. Auf den ersten Blick schien seine äußere Erscheinung, mit den weicheren, runderen Zügen des an die Annehmlichkeiten der Stadt gewöhnten Menschen, eher auf einen Behreneser hinzudeuten, Brynn kam jedoch nicht umhin, die kräftige Muskulatur an seinen nackten Unterarmen zu bemerken. Und als er seine Sitzposition veränderte, sodass sein fließendes
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