Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
niedermetzelte.
Geduld, ermahnte sie sich. Nur Geduld.
»Erlaubt mir, dass ich einen Blick auf Euer Schwert werfe«, sagte der Yatol unvermittelt und winkte sie mit ausgestreckter Hand zu sich.
Brynn zog ihre Waffe und präsentierte sie senkrecht vor ihrem Körper, jedoch nicht so nahe, dass der Yatol sie hätte ergreifen können.
»Nun gebt schon her«, herrschte er sie an.
Brynn drehte die Klinge langsam herum, sodass er ihre meisterliche Machart bewundern konnte, ohne sie seiner Hand auch nur einen Millimeter näher zu bringen. Dabei war ihre Miene weder trotzig noch in irgendeiner Weise provozierend.
»Der Ehrenkodex der To-gai-ru verbietet es mir, mein Schwert jemandem auszuhändigen, der mich nicht beim irysh kad’du besiegt hat«, erwiderte sie ruhig in Anspielung auf die größte Herausforderung in der Gesellschaft der To-gai-ru, eine Prüfung des reiterischen Könnens und des Mutes.
»Der irysh kad’du ist verboten worden«, sagte Yatol Daek. »Aber das ist Euch natürlich bekannt.«
Brynn hatte nicht die leiseste Ahnung, und einen Augenblick lang stand ihr das kurze Aufflackern ihrer Verblüffung deutlich ins Gesicht geschrieben. War es wirklich schon so weit gekommen? War die Eroberung der To-gai-ru so allumfassend, dass sie sogar ihr heiligstes Ritual, den irysh kad’du, aufgegeben hatten? Wie hatte es ihr stolzes Volk nur so weit kommen lassen können, ohne erneut in den Krieg gegen die Behreneser zu ziehen?
Brynn hatte größte Mühe, diese Fragen aus ihren Gedanken zu verbannen; sie ermahnte sich, dass dies nicht der richtige Augenblick war, Gewalt anzuwenden. Sie musste diese Gelegenheit und diesen verräterischen Yatol dazu benutzen, einen besseren Einblick in das Denken ihrer Feinde zu gewinnen.
Yatol Daek streckte die Hand weiter vor und forderte sie mit einem Wink auf, ihm das Schwert auszuhändigen; obwohl sie eine Konfrontation auf jeden Fall vermeiden wollte, schob sie ihr kostbares Schwert mit einer raschen Handbewegung zurück in die Scheide.
In Yatol Daeks dunklen Augen blitzten glühende Kohlen.
»Wenn dieser Wettkampf tatsächlich verboten ist, wird bis zu meinem Tod niemand mehr mein Schwert berühren«, stellte Brynn trocken fest, woraufhin Dee’dahk neben ihr abermals eine drohende Haltung annahm, ganz wie ein Pferd, das an seiner Trense zerrt.
Yatol Daek lehnte sich zurück, ohne Brynn aus den Augen zu lassen; schließlich zeigte sich ein Hauch von Belustigung auf seinem feisten Gesicht.
Einen Moment lang glaubte Brynn, sie wäre zu weit gegangen und der Mann würde auf ihre Bedingungen eingehen und Dee’dahk den Befehl geben, sie zu töten. Trotzdem, in dieser Angelegenheit hatte Brynn einfach keine andere Wahl; einem potenziellen Feind würde sie ihr Elfenschwert ganz gewiss nicht überlassen.
Doch dann entspannte sich Yatol Daek, und die brisante Situation schien sich zu entschärfen. »Ihr dürft in der Siedlung bleiben«, entschied er unvermittelt, machte eine Handbewegung und wandte sich anderen Dingen zu.
Es dauerte einen Augenblick, bis Brynn begriff, dass sie entlassen war. Achselzuckend machte sie kehrt und ging in Richtung Tür.
»Ohne ein angemessenes Wort des Abschieds?«, hörte sie Yatol Daek hinter ihrem Rücken fragen.
Brynn drehte sich um und sah ihn verwirrt an. Offenbar hatte sie schon wieder gegen eine Vorschrift verstoßen.
»Ich werde auch über diesen Fehler großzügig hinwegsehen«, erklärte Yatol Daek herablassend. »Aber solltet Ihr die Absicht haben, hier zu bleiben und zu überleben, Brynn Dharielle, tätet Ihr gut daran, Euch zu erkundigen, was man von Euch erwartet.«
Sie widerstand dem dringenden Bedürfnis, ihm gleich noch einmal ihr Schwert zu zeigen, diesmal aber mit der Spitze voran.
Stattdessen enthielt sie sich jeder Geste, ließ sich durch nichts anmerken, ob sie seiner letzten Bemerkung zustimmend oder ablehnend gegenüberstand, und verließ erst den Saal und danach das Gebäude. Sie wusste, genau in diesem Moment würde sich Daek Gin Gin Yan mit Dee’dahk beraten und vermutlich herauszufinden versuchen, wie sich Brynn vor den anderen To-gai-ru am besten in Misskredit bringen oder womöglich sogar beseitigen ließe. Sie war sich darüber im Klaren, dass man sie für die Dauer ihres Aufenthalts in Yatol Daeks Reich auf Schritt und Tritt beobachten würde und dass ihre Weigerung, sich seinem Willen zu unterwerfen, schon ziemlich bald auf eine Konfrontation mit ihm und Dee’dahk hinauslaufen musste.
Sie war sich der
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