Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
Gewand sich eng um eines seiner Beine schmiegte, sah sie auch seine muskulösen Oberschenkel, beides untrügliche Zeichen für die oftmals anstrengenden Ritte, die ein To-gai-ru unternahm.
Er schien Brynn mit seinem Blick durchbohren zu wollen, als diese ruhig und gelassen vor ihm stand, neben sich die einen halben Kopf größere Dee’dahk. Der Yatol verengte seine Augen mehrfach zu schmalen Schlitzen und weigerte sich hartnäckig zu blinzeln; offensichtlich hatte er vor, die junge Frau einzuschüchtern.
Brynn hatte größte Mühe, ihn nicht ebenso durchdringend anzusehen. Zu wissen, dass dieser Mann ein To-gai-ru war vergrößerte ihren Hass auf ihn nur noch. Er war ein Verräter an seinem Volk, der der alten Lebensweise den Rücken gekehrt und die Eroberer mit offenen Armen empfangen hatte. Er war all das, was Brynn nicht war, er klammerte sich an alles, was sie zutiefst verachtete, wie ihr sein Titel und seine Abstammung verrieten. Soweit es sie betraf, gab es darüber hinaus, wenn überhaupt, nur wenig, was zwischen ihnen beiden der Erwähnung bedurfte. Yatol Daek aber schien die Dinge keineswegs so sehen zu wollen, daher ließ sie sich, wenigstens fürs Erste, auf sein Spiel ein.
»Kayleen Kek«, sagte er mit einem Anflug von Spott in seiner leicht schrillen Stimme. Er sprach ein gepflegtes To-gai-ru. »Mir ist gar nicht bekannt, dass irgendwo noch Leute vom Stamm der Kayleen Kek umherlaufen. Ihr verstohlenes Auftreten zeugt jedenfalls nicht gerade von ausgeprägtem Stolz.«
Brynn ließ die Beleidigung an sich abperlen. Ihr war klar, dass sie einer Prüfung unterzogen werden sollte.
»Wie ich sehe, habt Ihr Euch entschieden, Euer Schwert zu tragen«, bemerkte Yatol Daek.
»Hätte ich es nicht getan, wäre das einer Beleidigung Eurer Person gleichgekommen«, erwiderte Brynn. »Dies ist ein Treffen zwischen Gleichrangigen, und mein Rang ist der einer Kriegerin. Jeder andere Aufzug wäre bei unserer ersten Begegnung doch wohl irreführend gewesen, oder täusche ich mich da?«
Ihre Bemerkung stand ganz im Einklang mit der Tradition der To-gai-ru. Ein in der Scheide steckendes Schwert galt als Zeichen der Aufrichtigkeit, nicht als Drohung.
Neben ihr nahm Dee’dahk eine drohende Körperhaltung an, für Brynn der untrügliche Beweis, dass die Kriegerin für die Sprache der To-gai-ru nicht annähernd so taub war, wie sie bei ihrem ersten Zusammentreffen vorgegeben hatte.
»Ihr haltet Euch also für eine Kriegerin?«, fragte Yatol Daek.
»Ich bin eine. Dinge wie Stolz und Ehrgeiz spielen dabei keine Rolle. Es zählen allein die Tatsachen.«
»Für eine ausgezeichnete Kriegerin obendrein, nehme ich an.«
»Es geht mir nicht darum, mich mit anderen zu messen«, erwiderte Brynn. »Meine Fähigkeiten haben es mir ermöglicht, meine schweren Prüfungen lebend zu überstehen, also müssen sie wohl ausreichend gewesen sein.« Sie konnte sich eines leichten Zusammenzuckens nicht erwehren, als sie daran dachte, dass sie nicht ausgereicht hatten, auch Belli’mar Juraviels und Cazziras Überleben zu garantieren. Dennoch entsprach ihre Antwort vollkommen der Tradition der To-gai-ru, wonach kämpferisches Geschick nicht aus Gründen der Eitelkeit miteinander verglichen, sondern allein am Erfolg gemessen wurde.
»Neben Euch steht eine echte Kriegerin, wisst Ihr das?«, bemerkte Yatol Daek.
»Ich bin mir des Rufs der Chezhou-Lei durchaus bewusst«, erwiderte Brynn gelassen.
»Vielleicht sollte ich einen Wettkampf zwischen Euch beiden arrangieren«, sagte Yatol Daek, der offenbar eher mit sich selbst sprach als mit Brynn oder Dee’dahk. »Ja, das wäre möglicherweise eine ausgezeichnete Idee.«
»Und welchen Sinn sollte das haben?«
Ihre unverblümte Frage trug Brynn einen bösen Blick des verräterischen To-gai-ru ein. »Steht es Euch etwa zu, solche Fragen zu stellen?«
Brynn deutete ein leichtes Schulterzucken an, enthielt sich ansonsten aber einer Antwort.
»Vielleicht sollte ich einen solchen Wettkampf zu meinem ganz persönlichen Vergnügen arrangieren«, fuhr Yatol Daek fort. »Ja, zwei Frauen dabei zuzusehen, wenn sie allein zu meinem Vergnügen miteinander kämpfen …«
Brynn ließ das alles an sich abperlen; sie hielt den Mann für einen ausgemachten Trottel. Insgeheim amüsierte sie der Gedanke, diesem Daek Gin Gin Yan seinen Spaß zu lassen und erst Dee’dahk zu töten, bevor sie ihre magische Klinge gegen den Yatol richtete und ihn vor den Augen des gesamten dankbaren Dorfes
Weitere Kostenlose Bücher