Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
zu jedoch, je nach Lichteinfall, einem eng gewobenen Regenbogen gleich in einer ungeheuren Farbenvielfalt schillerte.
»Schon wieder eine Karawane«, bemerkte Brynn, als der behrenesische Treck in der frischen, klaren Luft des Wintermorgens tief unter ihnen in Sicht kam. »Wie dumm sind unsere Feinde eigentlich?«
Brynn befand sich jetzt seit drei Wochen bei Ashwarawus Rebellenbande; dies war in dieser Zeit bereits die dritte Karawane, die der Rebellenführer ausgekundschaftet hatte und nun zu überfallen beabsichtigte. Die beiden ersten hatten sich als unproblematische Beutezüge entpuppt; die Krieger der To-gai-ru waren über die Wagen hergefallen und hatten die Fahrer sowie den zahlenmäßig eher bedürftigen Begleitschutz regelrecht in Stücke gehackt.
»Offenbar ist dem Yatol von Dharyan die verzweifelte Lage in To’in Ru zu Ohren gekommen«, erwiderte der Mönch in Anspielung auf eine große und stark befestigte Vorpostensiedlung, gegen die Ashwarawu bislang noch nichts unternommen hatte. »Vielleicht macht ihn das Mitgefühl für seine eigenen Leute blind. Oder aber er will nicht begreifen, wie entschlossen wir sind.«
Brynn hörte stets aufmerksam zu, wenn dieser Mann etwas von sich gab, denn er hatte eine Art, die Dinge in ein völlig neues Licht zu rücken. Nicht, dass sie immer mit ihm einer Meinung gewesen wäre; aber im Laufe der letzten Wochen war ihr aufgefallen, dass Pagonels stets mit leiser Stimme vorgetragene Äußerungen, insbesondere wenn es um die Behreneser ging, ihren Horizont erweiterten. Alle anderen in Ashwarawus Trupp bezeichneten sie stets nur abfällig mit dem Wort »Turbane«, Pagonel dagegen nie. Des Öfteren kam es sogar vor, dass er es wagte, sich die vermutliche Sicht eines einzelnen Behrenesers zu Eigen zu machen, auch wenn Ashwarawu es gar nicht gerne sah, dass er ihren Feinden auf diese Weise ein menschliches Antlitz verlieh.
In diesem Moment näherte sich ihnen ein To-gai-ru zu Pferde und galoppierte an der Kolonne entlang bis zur Mitte, wo ihn Ashwarawu bereits erwartete.
»Zwanzig Mann als Bewachung für sieben Wagen«, berichtete er. »Genau wie beim letzten Mal.«
»Vielleicht sollen wir sie gefangen nehmen«, bemerkte Brynn mit leiser Stimme.
»Das wird Ashwarawu ganz gewiss nicht tun«, erwiderte Pagonel ruhig.
Brynn starrte den Ordensbruder an. Ihre Bemerkung hatte gar nicht ihm gegolten, aber sie konnte nicht bestreiten, dass er mit seiner Einschätzung richtig lag. Ashwarawu hatte sie nie im Zweifel darüber gelassen, dass man innerhalb der Grenzen To-gais keinen einzigen Behreneser am Leben lassen würde.
Nicht einmal Frauen und Kinder.
Glücklicherweise war Brynn noch nicht gezwungen worden, am Kampf nicht beteiligte Frauen und Kinder zu töten. Die beiden vorherigen Karawanen, wie offenbar auch diese, hatten größtenteils aus Soldaten bestanden, aus Kriegern und Handlangern der herrschenden Yatols. Solche Männer sowie gelegentlich auch eine Kriegerin konnte Brynn reinen Gewissens töten; sie waren Eindringlinge und damit Ursache aller Leiden To-gais, Menschen, die es sich zum Ziel gemacht hatten, Kultur und Erbe der To-gai-ru zu vernichten.
Sie versuchte, nicht an den unvermeidlichen Konflikt zu denken, zu dem es zwischen ihr und dem hitzigen Rebellenführer unweigerlich kommen musste, wenn sein Trupp auf behrenesische Zivilisten stieß.
Stattdessen versuchte sie, sich auf die bevorstehende Situation zu konzentrieren, und beobachtete die Karawane, die sich tief unter ihr durch die Ebene wand. Brynn wusste nur zu gut, was sie zu tun hatte, denn in Ashwarawus Angriffstaktik fiel jedem stets dieselbe Rolle zu. Die Angreifer würden warten, bis die Karawane sich unmittelbar unterhalb von ihnen befand, und dann mit lautem Kriegsgeschrei und erhobenen Waffen das abfallende Gelände hinunterstürmen, wie ein Schwarm zorniger Hornissen über den Treck herfallen und den Begleitschutz allein durch ihre schiere Übermacht und brutale Angriffswucht sowie die tief verwurzelte Überzeugung überwältigen, dass ein Krieger der To-gai-ru ohnehin jedem behrenesischen Kämpfer überlegen war.
Die Karawane zog ihres Weges, Fahrer und Begleitschutz offensichtlich blind für die drohende Gefahr.
Dann nahm der Wirbelsturm seinen Lauf, der Angriff, dessen zweihundertkehliger Schlachtruf sogar das Heulen des Windes übertönte.
Fahrer und Soldaten versuchten noch, die Wagen zu wenden und in eine wie auch immer geartete Verteidigungsstellung zu bringen, doch für ein
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