Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
unerbittlich.
Brynn wandte sich Hilfe suchend zu Pagonel um und sah, wie sein Blick zwischen ihr und dem Rebellenführer hin- und herwanderte, so als versuchte er, die beiden abzuschätzen.
Sekunden vergingen.
»Bring deine Arbeit zu Ende«, forderte Ashwarawu sie auf, langsam und ohne Hast.
Brynn hatte Mühe, Luft zu holen. Sie war sich über die Bedeutung dieser Prüfung im Klaren und wusste, wenn sie jetzt keine Härte zeigte, würde sie bei den Rebellen, bei den To-gai-ru überhaupt, für alle Zeiten einen schweren Stand haben. Sie spielte mit dem Gedanken, noch einmal vorzuschlagen, Gefangene zu machen, obwohl sie längst wusste, dass Ashwarawu in diesem Punkt zu keinen Kompromissen bereit war. Die Rebellen hatten gar nicht die Möglichkeiten, um Gefangene mitzuschleppen, sie durchzufüttern oder auch nur zu bewachen; und da ihnen kein behrenesischer Soldat oder Wagenlenker zusätzlichen Verhandlungsspielraum gegenüber den Oberen der Yatols an die Hand geben würde, waren sie für ihn vollkommen wertlos.
Brynn ließ ihren Blick prüfend über den Rebellenführer und die anderen wandern und wünschte, sie wüsste einen Ausweg, dabei dämmerte ihr längst, dass es den nicht gab. Sie ließ sich von ihrem Pony heruntergleiten; sie hätte es auch aus dem Sattel heraus erledigen können, wollte Nesty aber nicht in dieses schmutzige Geschäft mit hineinziehen.
Ihr blutverschmiertes Schwert in der Hand, ging sie hinüber zu einem der verwundeten Behreneser. Sie beschloss, mit dem am schwersten Verletzten zu beginnen, einem Mann, der nicht mehr fähig war, sie anzuflehen oder ihr auch nur in die Augen zu sehen. Er rang keuchend nach Luft, und jedes Mal, wenn er ausatmete, sickerte Blut aus seinem Mund; Brynn wusste selbst wenn Ashwarawu bereit gewesen wäre, Gefangene zu machen, hätte weder sie noch irgendjemand sonst für diesen Mann noch etwas tun können.
Juraviels Warnung vor der Grausamkeit des Krieges schoss ihr durch den Kopf.
Ihre Bewegung war blitzschnell und makellos; sie stieß dem Mann ihr Schwert mitten ins Herz und machte seinem Leiden ein Ende. Sein Körper bewegte sich nicht mehr.
Der nächste Verwundete schaute aus flehenden Augen zu ihr auf, als sie über ihm stand. Er schaffte es sogar noch, ein Kopfschütteln anzudeuten, während er mit dem Blick um Erbarmen bettelte.
Brynn hob den Blick und schloss dann die Augen. Mit brutaler Deutlichkeit rief sie sich den Augenblick der Ermordung ihrer Eltern in Erinnerung und ließ die ganze Grauen erregende Szene noch einmal vor ihrem inneren Auge ablaufen.
Sie stellte sich vor, den Mörder ihrer Eltern vor sich zu haben, und stach zu.
Dann wandte sie sich ab, das Schwert seitlich neben ihrem Körper, und rief dessen Feuer auf den Plan, um damit das verschmierte Blut wegzubrennen.
Sie hörte die aufmunternden Rufe und den Jubel der To-gai-ru, doch in diesem Augenblick kam sie sich nicht sehr heldenhaft vor. Dann sah sie den anerkennenden Blick in Ashwarawus Augen.
Aber war es wirklich Anerkennung, was aus diesen Augen sprach? Die Frage musste sie sich stellen, denn irgendwo in dem ausdrucksstarken Gesicht des Rebellenführers meinte sie noch etwas ganz anderes, sehr viel weniger Angenehmes zu erkennen. Er hatte sie dazu ausersehen, die Exekutionen noch ganz unter dem Eindruck ihres glanzvollen Erfolges durchzuführen, weil sie sich so tapfer geschlagen und es verdient hatte, den Kampf eigenhändig zu beenden. Doch als sie ihn jetzt ansah, wurde Brynn klar, dass Ashwarawu sie nur auf die Probe gestellt hatte und sie vielleicht einfach hatte demütigen wollen, wenn nicht in den Augen der anderen, dann zumindest in ihren eigenen. War Ashwarawus Einfluss auf sie in diesem Augenblick noch größer geworden?
Sie sah zu Pagonel hinüber, der auf seinem Pferd saß, Nestys Zügel in der Hand, und erblickte einen Zug von Traurigkeit in seinen Augen, Traurigkeit und ein gewisses Mitgefühl, das sie ihm gar nicht zugetraut hätte.
Sie packte die Zügel und schwang sich auf Nestys kräftigen Rücken; das Pony ließ es wie immer bereitwillig geschehen. Das war wenigstens ein kleiner Trost, denn Nesty würde nicht so hart mit ihr ins Gericht gehen, wie sie es selbst tun musste.
»Sie wurden einfach überrannt«, berichtete Wan Atenn Yatol Grysh im Audienzsaal des großen Tempels in Dharyan. »Man hat unsere Toten einfach auf dem hart gefrorenen Boden liegen lassen und bis auf einen völlig zerstörten Wagen alles mitgenommen.« Dies alles berichtete der
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