Schattenelf - 3 - Der Herr der Flammen
Kamine und durchquerte das eiskalte Wasser eines unterirdischen Flusses. Manchmal verfolgten sie die Geräusche anderer Lebewesen, Raubtiere wahrscheinlich, die überall ringsum in den Schatten lauerten, dann wieder wanderte sie in völliger Stille. Die ganze Zeit über dachte sie an nichts anderes als ihr Ziel, wo immer es liegen mochte, und versuchte Cazziras Bemerkung zu verdrängen, dass die meisten Opfer des Pfades der sternenlosen Nacht an Altersschwäche starben.
Unermüdlich lief sie weiter, stundenlang, tagelang; obwohl ihre Fackel nicht auf einen sich erschöpfenden Brennstoff angewiesen schien, da ihr Licht zu keinem Zeitpunkt schwächer wurde, gab es zahllose Augenblicke, in denen sie am liebsten aufgegeben hätte.
Aber nur beinahe. Denn Brynn war eine von Elfen ausgebildete Hüterin, und sie war eine To-gai-ru. Ihr Volk brauchte sie, sie durfte auf keinen Fall versagen. So einfach war das.
Eines Morgens – es kann auch abends gewesen sein zwängte sich Brynn durch einen schmalen Spalt in eine breitere, im weiteren Verlauf ansteigende Höhle. Es folgte eine kurze, ermüdende Kriecherei, weshalb sie an einer etwas breiteren Stelle Pause machte, um zu verschnaufen.
Plötzlich spürte sie einen Luftzug.
Nicht etwa die heißen Aufwinde eines Lavastroms, sondern eine echte, frische Brise.
Gestärkt von dem Gedanken, ihre harte Prüfung könnte endlich ein Ende haben, arbeitete sich Brynn hastig weiter durch den Tunnel voran. Aber als aus den Minuten eine Stunde wurde und schließlich eine zweite, musste sie abermals Halt machen, um sich auszuruhen.
Nach einem kurzen Nickerchen schleppte sie sich weiter, bis die Luft rings um sie leichter schien und die Brise, wenn auch kaum merklich, kräftiger zu werden begann.
Dann sah sie es, weit vor sich: einen winzigen Punkt aus Licht, aus richtigem Tageslicht!
Brynn löschte ihr flammendes Schwert, stand still da und betrachtete benommen den fahlen Schimmer.
Und dann rannte sie los, so schnell ihre Füße sie trugen.
An der Flanke eines Berges verließ sie den unterirdischen Gang, wenn auch in nicht sehr großer Höhe. Tief unter ihr erstreckten sich die windigen, bräunlich grünen Weiden ihrer Heimat To-gai.
Brynn Dharielle war endlich nach Hause gekommen.
Teil Zwei
To-gai
Meiner festen Überzeugung nach hat der Ort, an dem wir leben, einen sehr großen Einfluss darauf, wer wir sind und mit welchen Augen wir die Welt betrachten. Die Bevölkerung Behrens denkt ganz anders als die To-gai-ru, und beide wiederum unterscheiden sich stark von den Menschen aus dem Königreich im Norden der Berge, die ich selbst kennen gelernt habe, Aydrian Wyndon eingeschlossen. Die wilden Barbaren Alpinadors wiederum können sich in jeder Hinsicht bestenfalls als entfernte Verwandte dieser drei Menschenvölker bezeichnen. Viele jedoch werfen einiges durcheinander, wenn es um die eigentliche Bedeutung dieser Unterschiede geht, denn im Grunde teilen wir alle dieselben Hoffnungen: auf die Entwicklung unserer Persönlichkeit und der Gemeinschaft, auf eine bessere Welt für unsere Kinder, auf den Fortbestand unserer Kultur. Oft werden die meist nur mit Äußerlichkeiten belegten Unterschiede dieser vier Kulturen dazu missbraucht, ein anderes Volk schlecht zu machen und sich selbst dadurch in ein besseres Licht zu rücken. Genau das muss ich zu vermeiden versuchen, trotz meines abgrundtiefen Hasses auf die behrenesischen Yatols, die meine Heimat erobert haben. Ich muss versuchen anzuerkennen, dass ihr Glaube eine Folge ganz anderer Erfahrungen ist, gemacht in einem völlig anderen Land. Gesellschaften und Individuen entwickeln sich im Wechselspiel mit ihrer Umgebung, mit den Gegebenheiten von Klima und Umwelt, den Gefahren und Freuden, denen sie dort begegnen, für das Volk der To-gai-ru bevorzuge ich daher die althergebrachten Sitten, jene Kultur, die sich aus den besonderen Lebensumständen in der Steppe entwickelt hat. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass diese althergebrachte Lebensweise die beste ist – jedenfalls für uns.
Denn wir sind ein Erzeugnis unserer Kultur, und diese ist in weiten Teilen ein Produkt des Landes, in dem wir leben. Die Menschen in To-gai sind Nomaden, denn unser Überleben hängt vor allem von den großen Herden ab; die Bewohner Behrens dagegen sind sesshaft und leben größtenteils in befestigten Städten. Oft liegen zwischen ihren Städten endlose Meilen öder, windumtoster Sandwüste, eine menschenfeindliche Umgebung, die sie in ihrer
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