Schattenelf - 4 - Feuerzauber
Unterhändlerflagge.«
»Ihr wollt gehen und mit ihr verhandeln?«
»Ich werde zu ihr reiten, um uns allen das Leben zu retten.«
Der Mann machte noch immer keine Anstalten, sich zu rühren, und der verwunderte Ausdruck auf seinem Gesicht verwandelte sich in Ärger.
»Sofort, sage ich!«, kommandierte Pestle. »Ich bin der Gouverneur von Dharyan. Die Entscheidung darüber, wie hier zu verfahren ist, liegt allein bei mir. Jetzt geht und beschafft mir ein Pferd und eine Unterhändlerflagge, oder ich lasse Euch ablösen!«
»Gouverneur Carwan Pestle«, erwiderte Fauche mit einer steifen Verbeugung, »wir sind durchaus imstande, gegen sie zu kämpfen. Wir können die Mauern halten, bis Yatol Bardoh mit seinem Heer eintrifft.«
»Ihr begreift offenbar nicht, über welch ungeheure Kräfte dieser Drache verfügt. Die Bestie wird Dharyan in einer einzigen Nacht in Flammen aufgehen lassen und unsere Verteidigungsanlagen zerstören. Anschließend werden wir krepieren, und zwar alle miteinander.« Kaum hatte er geendet, schob sich das Bild des unter dem Osttor hängenden Yatol Grysh vor sein inneres Auge, und er konnte nicht umhin, sich selbst an dessen Stelle vorzustellen, was mittlerweile unausweichlich schien.
Kurz darauf ritt er durch besagtes Tor und lenkte sein Pferd in gestrecktem Galopp auf die fernen Linien der Feinde zu.
Dort angekommen, nahm er all seinen Mut zusammen und rief: »Ich möchte den Drachen von To-gai sprechen.«
Eine zierliche Frau ließ ihr kräftiges, weiß geschecktes Pony aus der geschlossenen Formation ausscheren und lenkte es vor Pestles sehr viel größeres Pferd. »Wir sind uns bereits begegnet«, begrüßte ihn Brynn. »Ihr wart der Diener von Yatol Grysh, hab ich Recht?«
Carwan Pestle holte tief Luft. »Ich bin der Geistliche Carwan Pestle, der derzeitige Gouverneur von Dharyan.«
»Dharielle«, berichtigte Brynn. »Im Übrigen habe ich keinen Gouverneur ernannt.«
Pestle spürte, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Er wusste, dass er am ganzen Leib zitterte und dass man es seiner Stimme anmerken würde. Er holte erneut tief Luft und versuchte, seine Erwiderung so beherrscht wie möglich vorzubringen. »Chezru-Häuptling Douan hat die Stadt in seinem Namen wieder in Besitz genommen. Er war es auch, der mich als Gouverneur eingesetzt hat.«
»Nach dem Ableben des unglücklichen Merwan Ma, zweifellos«, erwiderte die junge Hüterin.
Pestle riss erschrocken die Augen auf. Woher konnte sie das wissen?
»Ihr erhebt also im Namen Eures Chezru-Häuptlings Anspruch auf die Stadt«, fuhr Brynn nach einer kurzen Pause fort. »Und verweigert mir in seinem Namen den Zutritt?«
»Ich bin hier, um über einen Kompromiss zu verhandeln.«
»Ihr wolltet sagen, über Eure Kapitulation.«
Carwan Pestle veränderte verlegen seine Position im Sattel. »Ich stelle allerdings einige Bedingungen.«
»Euren eigenen Kopf betreffend?«
Pestle hielt inne und holte abermals tief Luft, um sich zu beruhigen. »Wir haben nicht die Absicht, noch einmal gegen Euch zu kämpfen«, erklärte er schließlich.
»Dann ergebt Euch«, erfolgte Brynns unnachgiebige Erwiderung.
»Ich verlange Garantien für die Sicherheit meiner Leute«, sagte Carwan Pestle, der sich plötzlich gestärkt fühlte, als ihm bewusst wurde, dass er nichts mehr zu verlieren hatte, dass er im Grunde bereits alles verloren hatte.
Unterdessen begannen hinter Brynns Rücken zahlreiche Gespräche unter den To-gai-ru, und viele zornige Stimmen meldeten sich zu Wort. Brynn hob die Hand, und kurz darauf verstummte das Stimmengewirr.
»Wenn ich Euch und Euren Kriegern freies Geleit zusichere, werdet Ihr zweifellos sofort kehrtmachen und erneut gegen mich in den Krieg ziehen, sobald Eure Freunde eingetroffen sind«, erklärte Brynn. »So ist es doch, oder?«
»Das werden wir gewiss nicht tun.«
Seine feierliche Erklärung bewirkte ein neuerliches Aufflackern der erregten Diskussionen, die Brynn jedoch durch ein abermaliges Heben ihrer Hand unterband.
»Darauf kann ich mich nicht verlassen«, erwiderte sie. »Alle sehr alten und sehr jungen Bewohner dürfen abziehen, und wenn man uns die Stadt kampflos überlässt, wird man Euch selbst und Eure Krieger als Kriegsgefangene betrachten und entsprechend human behandeln. Meine Stadt verfügt doch über ein Gefängnis, oder etwa nicht?«
»Ein recht großes sogar«, antwortete Pestle. »Groß genug, um die zweihundert Mann der städtischen Garnisonstruppen aufzunehmen.«
»Gut. Dann reitet
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