Schattenelf - 4 - Feuerzauber
Seite wieder hinaus, ehe er sich wieder über die Oststraße auf den Weg nach Jacintha begab.
Den ganzen Tag über passierten sie endlose Soldatenkolonnen, die anrückten, um bei der endgültigen Niederwerfung des Drachen von To-gai dabei zu sein.
»Ihr seid meinetwegen vorhin ein großes Risiko eingegangen«, sagte Pagonel zu Merwan Ma, als sie an jenem Abend unter sich waren.
»Ich habe Euretwegen überhaupt nichts riskiert«, erwiderte der Geistliche.
»Hättet Ihr mich an sie ausgeliefert, wärt Ihr mich auf der Stelle los gewesen«, widersprach der Mystiker. »Möglicherweise hättet Ihr damit in den Augen des Chezru-Häuptlings sogar Euren Fehler wieder gutgemacht.«
»Meinen Fehler wieder gutgemacht?«, wiederholte Merwan Ma mit einem verächtlichen Schnauben. »Ich weiß ja nicht einmal, wer überhaupt noch berechtigt wäre, eine solche Absolution zu erteilen. Wir hatten uns darauf geeinigt, Dahdah zu durchqueren, und ich habe Euch mein Wort gegeben.«
»Manch einem wäre die eigene Rettung mehr wert als ein Versprechen, insbesondere gegenüber einem Feind, dessen Gefangener er ist.«
»Empfindet Ihr Euch so?«
Der Mystiker zuckte mit den Schultern.
»Angenommen ich beschließe, mich jetzt von Euch zu trennen. Würdet Ihr versuchen, mich zurückzuhalten?«, fragte Merwan Ma.
»Nein.«
Nachdem dieser Punkt geklärt war, lehnte sich der Geistliche zufrieden zurück.
»Aber Ihr werdet Euch nicht von mir trennen, Merwan Ma«, fuhr Pagonel fort. »Denn mittlerweile habt Ihr begriffen, worum es tatsächlich geht, und deshalb ist diese Reise nach Jacintha inzwischen genauso Eure Angelegenheit wie meine.«
»Eher mehr«, erwiderte der Geistliche mit einer von so großer Entschlossenheit erfüllten Stimme, wie Pagonel es noch nie bei ihm gehört hatte. »Ihr sprecht von Rettung, und das war auch die Verheißung Yatols. Aber was bedeutet diese Verheißung schon, wenn alles andere Lüge ist?«
»Ihr wisst doch gar nicht, ob alles andere Lüge ist.«
»Ich weiß, dass der Vorgang der Transzendenz das alles entscheidende Wunder ist, das die Chezru-Religion im Innersten zusammenhält«, erklärte der Geistliche. »Wer einmal Zeuge des Wunders des mit einem voll entwickelten Bewusstsein und allem Wissen gesegneten Kindes geworden ist, wird für immer zutiefst berührt sein. Diese Menschen sehen ihrem Tod mit Freuden entgegen, denn sie wissen, dass Yatol allmächtig ist und über sie wacht.«
Pagonel bemerkte eine wachsende Unsicherheit in der Stimme des Mannes, als dieser weitersprach.
»Aber wenn selbst der Chezru-Häuptling, die Stimme des Gottes Yatol, nicht daran glauben mag, wie können wir es dann? Und worin zeigt sich die einigende Kraft Yatols, wenn dieses Wunder gar nicht existiert?«
Pagonel wusste weder eine Antwort darauf, noch hatte er ein Wort des Trostes für Merwan Ma. Denn wenn sie richtig vermuteten, wenn der Chezru-Häuptling nichts weiter war als stets derselbe Geist, der sich immer wieder, durch die Jahrhunderte, der körperlichen Hülle ungeborener Kinder bemächtigte, welchen Schluss sollte man dann daraus ziehen?
»Wenn wir dies alles hinter uns haben, solltet Ihr in die Wolkenfeste kommen, mein Freund«, bot er ihm stattdessen an. »Dort werdet Ihr herausfinden, wer Ihr wirklich seid. Dort werdet Ihr das vergängliche Wesen des Körpers und die ewige Kraft der Seele begreifen lernen.«
Merwan Ma lächelte, konnte sich eines weiteren Schnaubens aber nicht enthalten. »Wir werden dies niemals hinter uns haben, mein Freund«, erwiderte er. Es war das erste Mal, dass er Pagonel so genannt hatte. »Wir werden zwar in die Festung Chom Deiru hineinmarschieren, die sich Tempel schimpft, aber wir werden sie nicht wieder verlassen.«
»Dann brechen wir eben durch ihre erbärmlichen Reihen!«, verkündete Tanalk Grenk mit der für ihn so typischen aufbrausenden Art.
»Nur um aufgehalten, verwundet und anschließend wiederum verfolgt zu werden?«, warf ein anderer ein. So ging es in einem fort rings um das Lagerfeuer, wo Brynn und ihre Kommandanten sich versammelt hatten. Während der letzten drei Tage waren die Berichte der Kundschafter eingetroffen, aus denen eindeutig hervorging, dass die Behreneser den genauen Standort von Brynns Truppen sowie ihre Marschrichtung kannten. Die Behreneser schienen eine Schlacht erzwingen zu wollen. Sie hatten ihre riesige Armee in drei Untergruppen aufgeteilt, die kleinste drüben im Osten – auch wenn in den Berichten von einer weiteren großen
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