Schattenelf - 4 - Feuerzauber
Elfen blieben wie angewurzelt stehen; sie hatten fast keine Erinnerung mehr an die durch nichts getrübte Schönheit dieses Anblicks. Sie waren so hingerissen, dass sie das Krachen und Knirschen sich umgestaltender Knochen hinter ihrem Rücken überhaupt nicht bemerkten, daher waren beide völlig überrascht, als Pherol sein Drachengebrüll ausstieß – nicht das Gebrüll in seiner Gestalt als Echsenmann, das den Fels erbeben ließ, sondern das gesteinzerreißende Röhren eines richtigen Drachen!
Die beiden fuhren herum, und einen Moment lang waren beide felsenfest überzeugt, jeden Augenblick verschlungen zu werden, und dass die Abmachung, die Juraviel mit dem Drachen ausgehandelt hatte, letztendlich völlig bedeutungslos war.
Dann aber beruhigte sich Pherol wieder und spreizte seine mächtigen Schwingen.
»Was für ein herrliches Gefühl, endlich wieder eine frische Brise auf den Flügeln zu spüren!«
5. Pherols Begehrlichkeiten
Nahezu jeden Tag stieg Brynn die endlose Treppe von der Wolkenfeste hinunter auf den Grund des felsigen, inmitten der Feuerberge gelegenen Tals, wo sie dem aus dem Tal herausführenden Pfad bis zu der Weide folgte, auf der Nesty zusammen mit den anderen Pferden umherlief. Da die Mystiker der Jhesta Tu ein feines Gespür für ihr Bedürfnis hatten, einen Teil ihrer Zeit mit ihrem Pony zu verbringen, übertrugen sie ihr Arbeiten, die sie ohnehin auf den Grund des Tals geführt hätten.
Jetzt, da der Sommer allmählich in Herbst überging, bestand ihre Aufgabe darin, die schwarzen Lavabrocken in der zerklüfteten Landschaft einzusammeln und sie in Eimern zur Wolkenfeste hinaufzuschleppen, damit sie zu Pulver zermahlen und als Dünger für die Klostergärten benutzt werden konnten. Brynn arbeitete ohne zu klagen und ertrug den anstrengenden Aufstieg über die fünftausend Stufen mit der gleichen stoischen Gelassenheit, mit der sie auch die jahrelange Ausbildung bei den Touel’alfar über sich hatte ergehen lassen. Wie alle anderen auszubildenden Hüter hatte auch Brynn viele Tage in Andur’Blough Inninness damit zugebracht, die schwammartigen Milchsterne aus dem sumpfigen Torfmoor einzusammeln, sie zu den weit entfernten Trögen zu schleppen und die morastige Flüssigkeit aus ihnen herauszupressen. Während dieser frühen Morgenstunden hatte Brynn die Kraft der Meditation kennen gelernt, der inneren Versenkung, bei der alle äußeren Einflüsse ausgesperrt wurden, und diese Erfahrung machte sie sich jetzt zunutze, wenn sie jeden Nachmittag, ein Joch mit einem Eimer voller Steine auf jeder Seite über den Schultern, ganz bewusst und bedachtsam einen Fuß vor den anderen setzend, um nicht umzuknicken, die endlose Treppenflucht wieder nach oben stieg.
Es war ein Leben, das der jungen Frau gefiel, eine notwendige Erholungsphase von den Fährnissen der großen, weiten Welt, eine Zeit der Besinnung, in der sie körperlich, geistig und emotional neue Kraft schöpfen konnte.
Die Abende verbrachte sie meist in Gesellschaft von Pagonel und den anderen Jhesta Tu. Aber anders als damals in Andur’Blough Inninness war ihr Aufenthalt in der Wolkenfeste von unverblümten Fragen und lebhaften philosophischen Diskussionen über die Methoden anderer Religionen geprägt. Dabei war es oft Pagonel, der die Richtung vorgab und die Gespräche unweigerlich auf die behrenesische Chezru-Religion sowie die Idee Yatols lenkte.
Es dauerte nicht lange, bis Brynn begriff, dass er es ihretwegen tat, damit sie in dieser Zeit nicht nur etwas über sich selbst, sondern auch eine Menge über ihre Feinde lernte. Mehr noch, sie stellte immer häufiger fest, dass Pagonel sie unmerklich dazu anhielt, ihre Feinde nicht als die alle gleichermaßen verhassten »Turbane« zu betrachten, sondern als eine Gemeinschaft von Menschen, die Gebote achteten, die sich gar nicht so sehr von ihren eigenen oder denen aller anderen unterschieden.
»Ihr versucht mich von meiner Bestimmung abzubringen«, sagte sie eines Abends zu ihm, nach einer besonders hitzigen Diskussion darüber, dass To-gai-ru, Abellikaner und Jhesta Tu sich in der künstlerischen Darstellung ihres jeweiligen Götterhimmels eigentlich gar nicht so sehr unterschieden.
Pagonel sah sie verwundert an. Dann lächelte er und schwieg.
»Aber ja, es stimmt«, sagte sie vorwurfsvoll. »Ständig sprecht Ihr von den Behrenesern, so als ob sie ganz normale Menschen wären, in der Hoffnung, ich würde meinen Hass auf sie vergessen und dann logischerweise auch meine harte
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