Schattenelf - 5 - Die Unterwerfung
heruntergelassen. Alles in allem machte der Raum auf Pony den Eindruck eines Zimmers, in das man sich zum Sterben zurückziehen würde. Dainseys Bemerkung war offenkundig im Überschwang gesprochen, denn der Mann, auf den sie gemünzt waren, schien ihrer guten Laune ganz und gar nicht zu entsprechen. Der alte Belster O’Comely lag matt auf mehrere Kissen gestützt, wodurch sein mächtiger Leibesumfang noch gewaltiger wirkte. Er war schon immer ein Mann mit mehreren Kinnen gewesen, wie man in Dundalis sagte, aber jetzt sah es ganz so aus, als wären noch ein paar weitere hinzugekommen.
Sein Hemd war alles andere als frisch, und sein Haar, das wenige, das er noch besaß, war ungekämmt. Außerdem hätte er dringend eine Rasur gebrauchen können.
»Und ich liege hier und bilde mir ein, das Einzige, was ich jemals wieder an die Schweine verfüttern werde, ist mein eigener, altersschwacher Körper«, erwiderte er mühsam und mit schwacher Stimme, eine Anstrengung, die Augenblicke später in einen heftigen Hustenanfall überging.
Pony trat neben sein Bett und nahm instinktiv den Seelenstein aus ihrem Beutel. »Sag mir, wo du Schmerzen hast, Belster.«
Der stattliche Gasthausbesitzer, der jetzt sehr viel größer wirkte als in Ponys Erinnerung, sah freundlich lächelnd zu ihr auf. »Du hast doch sicher ein Mittelchen gegen das Älterwerden, oder?«, fragte er. »Wo habe ich keine Schmerzen, das wäre eigentlich die bessere Frage.«
Pony fiel auf, wie sehr Belsters Aussprache den Akzent der Waldlande angenommen hatte. Sie ging jedoch nicht näher darauf ein, denn sie konnte seinem ironischen Lächeln nicht länger widerstehen; sie beugte sich vor und schloss ihren lieben alten Freund fest in die Arme.
»Ah, das ist allemal das beste Heilmittel, das ein Mann sich wünschen kann«, sagte Belster.
Pony richtete sich wieder auf. »Da draußen wartet ein ganzes Gasthaus voller Kundschaft auf dich, alter Mann«, neckte sie ihn. »Wieso liegst du im Bett?«
Belsters Miene wurde ernst. »Pah!«, schnaubte er. »So geht das schon, seit ich mich am Bein verletzt hab, weißt du. Seitdem bin ich ans Bett gefesselt – dabei ist es im Bett nur schlimmer geworden.«
»Weil du fett geworden bist, du alter Narr«, schalt ihn Dainsey, und Belster lachte sie an.
»Macht dir dein Bein immer noch zu schaffen?«, erkundigte sich Pony und streckte die Hand aus, um sein Knie zu betasten; sie hatte es kaum berührt, als Belster schon ein leises Ächzen von sich gab und zusammenzuckte. Sie konnte sich noch gut an den Tag ihrer Hochzeit mit Danube vor all den Jahren erinnern, als sie zum ersten Mal von Belsters schlimmem Bein erfahren hatte; jetzt rügte sie sich im Stillen, weil sie nicht sofort hergekommen war, um ihm zu helfen.
»An manchen Tagen geht es besser, an anderen weniger«, gestand Belster. »Jedenfalls kann ich dir genau sagen, wann es Regen geben wird!«
Pony war froh, ihn endlich wieder lächeln zu sehen. Damals, zu Markwarts Zeiten, war Belster ihr ein guter Freund und Beschützer gewesen. Bis zu diesem Augenblick, da sie in seinem kleinen Gasthaus in den Waldlanden an seinem Bett saß, war ihr gar nicht richtig bewusst gewesen, wie sehr sie ihn vermisste. Wie seltsam fremd ihr dies alles erschien! Und doch fühlte sie sich hier zu Hause. Ihr war, als hätte sie Belster jahrzehntelang nicht gesehen, gleichzeitig kam es ihr so vor, als hätte sie erst gestern noch an seinem Bett gesessen.
»Ich kann dir helfen, dein Knie wieder gesund zu machen«, sagte sie und zeigte ihm den Seelenstein. »Aber um deinen dicken Bauch wirst du dich selber kümmern müssen; nur wird dir das kaum gelingen, wenn du hier in den Kissen liegst!«
Als Antwort lächelte Belster sie nur an. Pony wollte sich gerade vorbeugen, um sich sein Bein anzuschauen, als er ihren Arm packte und sie zwang, ihm ins Gesicht zu blicken. »Es tut so gut, dich wiederzusehen«, sagte er leise und hob die Hand, um Pony über das blonde Haar zu streichen. »Was hatten wir für eine schöne Zeit! Wir haben diesem Teufel Markwart gezeigt, zu was wir fähig sind! Und jetzt sieh dich an: die Königin des Bärenreiches!«
Plötzlich hielt er inne und sah sie merkwürdig an; Pony wusste sofort, dass ein verräterischer Schatten über ihr Gesicht gehuscht sein musste.
»Ich bin nicht mehr Königin«, erklärte sie. »König Danube ist tot, und den Thron hat ein anderer für sich beansprucht.«
»Und zwar ihr eigener Sohn, Ayd –«, wollte Dainsey herausplatzen, doch
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