Schattenelf - 5 - Die Unterwerfung
bekommen. Selbst Bischof Braumin, ein überaus lieber Freund meiner Mutter, hat die Unausweichlichkeit und Rechtmäßigkeit meiner Herrschaft letztendlich anerkannt. Hier geht es längst nicht mehr darum, wer auf dem Thron des Bärenreiches sitzt, Lord Breyerton, denn dieser Punkt ist längst entschieden. Als Euer König ist mir bewusst geworden, dass ich mich um die großen Städte und die großen Männer, die sie regieren, bemühen muss«, fuhr Aydrian fort. »König Danube hat lange regiert und seine Sache gut gemacht, größtenteils weil er zu der Einsicht gelangt war, dass die Augen und Ohren eines einzigen Mannes für ein so großes und mächtiges Königreich wie dieses niemals ausreichend sein können. Grundlage seiner Weisheit war sein Talent, die Fähigkeiten anderer zu erkennen und den anderen großen Führern die Freiheit zuzubilligen, dem Königreich nach eigenem Gutdünken zu dienen.«
Die letzte Bemerkung trug ihm nahezu einhelliges Nicken ein sowie die hoffnungsvollen, gierig funkelnden Blicke mehrerer Lords. In dieser Hinsicht hatten Olin und De’Unnero bei Aydrian gute Arbeit geleistet. Ein König, der den ehrgeizigen und geldgierigen Kaufleuten freie Hand bei der Herrschaft über ihre kleinen Königreiche ließ, würde sich zwangsläufig großer Beliebtheit erfreuen – zumindest bei denen, auf die es ankam. Selbst Lord Breyerton wirkte leicht verunsichert, so als wäre er plötzlich hin und her gerissen zwischen dem Lockmittel, das Aydrian ihm soeben so raffiniert vor Augen gehalten hatte, und seiner Treue zu Prinz Midalis.
Aydrian bemerkte seine innere Zerrissenheit und beschloss auf der Stelle, diesen Konflikt zu seinen Gunsten zu entscheiden.
Die Lords setzten ihre Diskussion untereinander noch eine Weile fort, bis ein Page in den Saal gestürzt kam, zu Lord Breyerton hinüberlief und neben ihn trat. Der junge Mann beugte sich tief zu ihm hinunter und flüsterte ihm aufgeregt etwas ins Ohr, worauf dieser sofort die Augen aufriss.
»Was gibt es denn?«, wandte sich Aydrian an ihn.
Lord Breyerton erhob sich von seinem Platz. »Ein unbedeutender Zwischenfall, mein König«, antwortete er; es war nicht zu übersehen, dass er ziemlich nervös war. Mit einer knappen Verbeugung wandte Breyerton sich um und machte Anstalten, sich zu entfernen.
»Lord Breyerton!«, rief Aydrian so unvermittelt, dass der Mann wie angewurzelt stehen blieb. Breyerton drehte sich um und sah den König an.
»Wovon hat man Euch soeben unterrichtet?«, fragte Aydrian kühl.
»An der Nordmauer ist es zu einem Aufruhr gekommen, mein König«, musste Breyerton gestehen. »Eine Gruppe von Soldaten aus Palmaris hat die Schmiede in ihre Gewalt gebracht. Einige Eurer Kingsmen wurden dabei verwundet, fürchte ich.«
Aydrian erhob sich und trat neben ihn. »Ihr geht voraus«, wies er ihn an.
»Mein König, die Gegend dürfte gefährlich sein«, protestierte Breyerton, eine Einschätzung, der sich mehrere andere, insbesondere die Eskorte aus Rittern der Allhearts, anschlossen. »Ihr habt ja nicht einmal eine Rüstung, die Ihr anlegen könnt.«
Statt einer Erwiderung schenkte Aydrian ihm ein verschmitztes Grinsen und legte seine Hand auf das Heft seines Schwertes Sturmwind, das im Gürtel an seiner Hüfte steckte. »Geht nur voraus, Lord Breyerton. Ich möchte mit diesen … verwirrten Männern sprechen.«
»Mein König –«, wollte Breyerton widersprechen, doch Aydrian fiel ihm ins Wort.
»So geht schon voraus«, beharrte er und schob den Mann buchstäblich durch die Tür nach draußen.
Die Allhearts und Herzog Monmouth waren unmittelbar hinter ihnen, gefolgt von den anderen Lords. Das Gebäude befand sich unweit der Nordmauer und damit ganz in der Nähe jenes Viertels, in dem die Unruhen ausgebrochen waren. Sie hatten das Gebäude kaum verlassen, als sie auch schon den Kampflärm hören konnten.
Aydrian, nicht darauf angewiesen, dass ihm jemand den Weg wies, schob sich an Breyerton vorbei und hielt mit energischen Schritten auf die Geräusche zu, bis er eine größere Gruppe seiner Kingsmen erblickte, die eine kleine, an die nördliche Stadtmauer angebaute Scheune eingekreist hatten. Pferde wieherten nervös und liefen unruhig in einem kleinen Korral seitlich neben dem Gebäude auf und ab. Einige Soldaten lagen tot am Boden, die meisten in der Rüstung der Garnisonstruppen aus Palmaris; zwei allerdings trugen das Abzeichen der Kingsmen. Rings um das gesamte Gelände verfolgten Hunderte Bürger von Palmaris das
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