Schattenelf - 5 - Die Unterwerfung
die längst begonnen hatte, ihr geliebtes Andur’Blough Inninness zu vergiften, die Touel’alfar schon in naher Zukunft zwingen könnte, über eben diese Route in den Süden zu fliehen.
Dieser Druck schien jetzt, nachdem er ein so vertrautes Verhältnis zu Cazzira entwickelt hatte, stark nachgelassen zu haben. Nicht etwa, weil die Gefahr durch den Makel des geflügelten Dämons für seine geliebte Heimat geringer geworden wäre, sondern weil er den Doc’alfar begegnet war, den vergessenen Vettern seines eigenen Volkes. Und je angenehmer sich seine Beziehung zu Cazzira gestaltete, desto fester glaubte er daran, dass die Elfen Koronas sich eines Tages wieder zu einem einzigen Volk vereinen würden.
Rein äußerlich waren die beiden Völker durchaus unterschiedlich. Obwohl beide ungefähr vier Fuß groß und von ähnlich geschmeidiger Statur, besaßen nur die Touel’alfar lichtdurchlässige Flügel, und während die Doc’alfar dunkles Haar und eine sehr helle Haut hatten, Folge des Lebens in der lichtlosen Welt ihrer nebelverhangenen heimischen Torfmoore, waren die Farben der Touel’alfar eher ein Ausdruck des Lebens unter hellem Tageslicht. Ihr blondes Haar, ihre strahlenden Augen und die helle Haut schienen vor innerer Wärme und goldenem Sonnenlicht nur so zu strahlen.
In den letzten Monaten aber war Belli’mar Juraviel zu tieferen, über ihre körperlichen Unterschiede hinausgehenden Einsichten über Cazzira gelangt und dabei auf eine den Touel’alfar recht verwandte Seele gestoßen. Sie waren ein Volk und pflegten eine ganz ähnliche Denkweise; die meist oberflächlichen körperlichen Unterschiede würden mit der Zeit verblassen, sobald ihre Gemeinschaften wieder vereint wären.
Das zumindest war Belli’mar Juraviels Hoffnung, so war sein Plan. Deshalb war er zusammen mit Cazzira und einem dritten, noch ungeborenen Elfen, der in Cazziras Bauch heranwuchs, durch das Gebirge in die Nordhänge unweit Tymwyvennes, der Heimat der Doc’alfar, zurückgekehrt.
»Das ist aber nicht derselbe Tunnel, den wir damals, vor Jahren, zusammen mit Brynn betreten haben«, bemerkte Juraviel, während er blinzelnd das Gelände absuchte, die an das Licht nicht gewöhnten Augen zu schmalen Schlitzen verengt – dabei war es später Nachmittag, und die Sonne stand bereits dicht über dem Horizont.
»Aber wir müssen ganz in der Nähe sein«, beruhigte ihn Cazzira und deutete nach Nordwesten, auf einen unverwechselbaren, ein wenig an das runzelige Gesicht eines alten Mannes erinnernden Berggipfel. »Vielleicht sogar schon so nah, dass uns die Späher Tymwyvennes beobachten, ihre tödlichen Waffen griffbereit, um sich augenblicklich auf dich zu stürzen, solltest du es wagen, dich mir auf unschickliche Weise zu nähern«, fügte sie hinzu und blitzte ihn mit dem für sie typischen schelmischen Lächeln an.
»Die sollen nur kommen!«, stieß Juraviel theatralisch hervor und fiel über Cazzira her; fast hätte er sie, während sie beide ausgelassen lachten, erdrückt mit seiner liebevollen Umarmung. Er schob seine Geliebte auf Armeslänge von sich und sah ihr fest in ihre zartblauen Augen, die nicht minder beeindruckend waren als seine goldenen. Wie sehr hatte sich Belli’mar Juraviel in diese Doc’alfar verliebt! Und wenn er sie anschaute, wenn er sie betrachtete, wusste er, dass auch Lady Dasslerond eines Tages das Wundervolle daran erkennen und einsehen würde, wie vorteilhaft sich eine Wiedervereinigung mit ihren lange vergessenen Vettern für alle auswirken würde.
Einige Zeit darauf, der strahlend hell leuchtende Mond Sheila stand bereits über ihnen, bewegten sich die beiden Elfen an den tiefer gelegenen Hängen des Vorgebirges entlang und hielten sich dabei unter Cazziras Führung weitgehend Richtung Westen. An diesem Abend würden sie es nicht mehr bis nach Tymwyvenne schaffen, hatte sie Juraviel erklärt, aber sie war einigermaßen sicher, dass sie die prachtvollen Schnitzereien auf den mächtigen Toren der Elfenstadt gleich zu Beginn ihres zweiten Reisetages zu Gesicht bekommen würden.
Oberhalb des Torfmoors und der für das Gebiet rings um Tymwyvenne typischen abgestorbenen Bäume schlugen sie ihr Lager auf. Sie gaben sich keine große Mühe, ihr Feuer zu verstecken, denn mittlerweile befanden sie sich im Reich der Doc’alfar und waren vor ungebetenen Besuchern sicher – es sei denn, diese stammten aus Cazziras Volk.
Die Nacht war vollkommen still, und es ging nur ein leichter Wind. Dieser Wind brachte
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