Schattenelf - 5 - Die Unterwerfung
Trost gefunden. So ging es zu im gemeinen Volk, das hatte er damals sofort begriffen; um die Liebe dieser Menschen zu gewinnen, brauchte er nichts weiter zu tun, als ihnen eine gesicherte Existenz in ihrem kleinen Winkel seines Königreichs zu garantieren und auf seinem prächtigen Ross eine strahlende Figur abzugeben.
»Liebe Einwohner von Pomfreth«, begann er mit lauter, volltönender Stimme. Wie er es gelernt hatte, hielt er den Blick über die Köpfe der Versammelten hinweg gerichtet und streckte den Arm theatralisch vor. »Ihr habt sicher vom Dahinscheiden des allseits verehrten Königs Danube gehört, eine Nachricht, die euch zweifellos ebenso traurig gestimmt hat wie jeden am Hof in Ursal.«
»Der König ist tot!«, rief jemand im hinteren Bereich der dicht gedrängten Menschenmenge, ein Mann, den Herzog Kalas, wie in jedem Ort zuvor, bereits vor dem Einmarsch der Armee in die Ortschaft eingeschleust hatte.
»Lange lebe der König!«, erschallte die entsprechende vielstimmige Antwort, ehe sie sich in steter Wiederholung zu einem immer stürmischer werdenden Jubelschrei für König Aydrian steigerte.
Aydrian saß schweigend da und lauschte der anschwellenden Begeisterung, bis diese abebbte und wieder in Stille überging.
»Mein Triumphmarsch, mit der Armee Ursals im Rücken, hat zum Ziel, euch Mut zu machen und euch allen zu versichern, dass es derzeit keinerlei Zwistigkeiten innerhalb des Königreiches gibt«, verkündete er. »König Danube ist tot, und ich, als Jilseponies Sohn, habe nach Recht und Gesetz und auf ausdrücklichen Wunsch des dahingeschiedenen Königs den Thron des Bärenreiches übernommen. Ihr seht mich in Begleitung von Herzog Kalas und den Allhearts sowie zahlreicher Adliger vom Hofe Ursals. Möge die Kunde sich im ganzen Land verbreiten, dass ein neuer und gerechter König den Thron bestiegen hat. Möge die Kunde sich von diesem Ort aus im ganzen Land verbreiten, dass König Aydrian ein Freund der Menschen des Bärenreiches ist und dass ich euch als euer König mit der gleichen Liebe und Zuneigung dienen werde wie mein würdiger Vorgänger, König Danube!«
Mehr brauchte er nicht zu sagen. Das Volk brach in ohrenbetäubenden Jubel aus und rief immer wieder seinen Namen. Seine Beteuerungen hatten jede Spur von Nervosität und Ängstlichkeit vertrieben. Er hatte ihnen genau das erzählt, was sie in ihrer Verzweiflung unbedingt zu hören gehofft hatten.
Nun konnte er in der ruhigen Gewissheit weiterziehen, sein Königreich erneut um ein kleines Stück vergrößert zu haben.
Kurz darauf überließ man Aydrian das prachtvollste Gebäude im Ort – in Wirklichkeit eine eher unscheinbare Kate –, das er gemeinsam mit Sadye betrat, nicht ohne einen Blick zur Kapelle hinüberzuwerfen, in der Marcalo De’Unnero soeben mit dem Pfarrer verschwunden war.
»Die Erleichterung in Eurem Gesicht zeichnet sich mit jeder neuen Ortschaft deutlicher ab«, sagte Sadye, als sie alleine waren.
»Mit jeder Ortschaft entferne ich mich ein Stück weiter von Ursal, womit sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass man dem Machtwechsel mit Widerstand begegnet.«
»Widerstand?«, fragte sie ungläubig. »Gegen eine Armee, wie Ihr sie in Eurem Gefolge mitführt? Herzog Kalas würde Pomfreth so rasch niederbrennen, dass Euer Durchmarsch dadurch kaum aufgehalten würde. Ja, vermutlich ginge es sogar schneller als mit der kleinen Ansprache, die man bei jedem Halt von Euch erwartet.«
Aydrians rasch mürrisch werdende Miene ließ sie abrupt verstummen. Sadye stemmte eine Hand in die Hüfte, beugte sich leicht vor und musterte den jungen König.
»Oder liegt es etwa daran«, fragte sie, »dass Ihr Angst habt, Menschen töten zu müssen?«
»Angst?«, wiederholte Aydrian mit der gleichen Ungläubigkeit, die zuvor in Sadyes Stimme gelegen hatte. »Nein, ich habe keine Angst, vor nichts und niemandem. Ich werde auch nicht zögern, jeden in Grund und Boden zu stampfen, der sich meinem Triumphmarsch, den ich vom einen Ende der Welt zum anderen durchzuführen gedenke, in den Weg zu stellen wagt. Aber ich möchte das Gemetzel so gering wie möglich halten, wenn Ihr versteht. Das Töten macht mir keinen Spaß – dieses Vergnügen bleibt Männern wie Eurem Geliebten vorbehalten.«
Die Bemerkung ließ Sadye erstarren, obwohl weder sie noch Aydrian so recht zu wissen schienen, welcher Teil der Anspielung sie eigentlich gekränkt hatte – die Behauptung, De’Unnero habe Spaß am Töten, oder Aydrians schlichte
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