Schattenelf - 5 - Die Unterwerfung
Überläufern erzählen, treiben sie uns mit vorgehaltener Lanze hinaus in die Wüste, und wenn wir ihnen dann kein Geld geben können, stechen sie uns ab und überlassen unsere Leichen den Geiern!«
»Aber …«, wollte Pechter Dan Turk widersprechen, doch Moripicus schnitt ihm das Wort ab.
»Wir sind Gelehrte.«
Die beiden anderen sahen ihn unschlüssig an.
»Wird zurzeit nicht die ehemalige Bibliothek von Pruda in Dharyan-Dharielle wieder aufgebaut?«, fragte Moripicus. »Also werden wir als Gelehrte auftreten, die auf dem Weg zur Bibliothek von Pruda sind, und sollten die Soldaten dort unten daran Anstoß nehmen, dass sich die Bibliothek jetzt in der Stadt des Drachen von To-gai befindet, werden wir ihnen einfach Recht geben und ihnen erklären, auch uns erfülle die Vorstellung mit Abscheu, dass die Werke unserer großen Gelehrten sich jetzt in den Händen dieser dreckigen To-gai-ru-Lumpen befinden.«
»Genau, wir wollen nichts weiter, als den Fortbestand dieser kostbaren Werke sichern«, fügte Paroud hinzu, dem mittlerweile ebenfalls dämmerte, welche Möglichkeiten sich ihnen damit eröffneten.
»Gelehrte, Gelehrte aus Pruda ohne irgendwelche politischen Absichten, die nichts weiter verbindet als der Hass auf die To-gai-ru«, sagte Moripicus.
»Die Tarnung dürfte nicht übermäßig schwer aufrechtzuerhalten sein«, gab Paroud ihm Recht, der die To-gai-ru tatsächlich nicht ausstehen konnte.
»Und wieso wollen wir dann überhaupt nach Dharyan-Dharielle?«, fragte Pechter Dan Turk, der offenbar nicht zugehört hatte. »In der Stadt wimmelt es doch nur so von To-gai-ru.«
Die beiden anderen wechselten einen Blick und verdrehten die Augen, ehe sie sich auf den Weg zurück nach Südosten machten, um weit außer Sichtweite der Oase Dahdah wieder auf die Straße zurückzukehren.
Wie üblich befanden sich an diesem Tag mehrere Handelskarawanen in der Oase; trotzdem war es die Anwesenheit der Soldaten, die den ganzen Ort beherrschte. Sie waren überall, sowohl am Ufer des Weihers als auch mitten zwischen den Karawanen, wo man sie ungehindert gewähren ließ. Sie prüften die Waren und nahmen sich einfach, was immer ihnen brauchbar erschien.
Pagonel hatte das Oasengelände kaum betreten, als er auch schon deutlich ihre Blicke spürte. Obwohl er für seine gefährliche Rückkehr an diesen Ort sein Jhesta-Tu-Gewand abgelegt hatte, wirkte er inmitten des verdreckten Pöbels und der lauten Händler wie ein Fremdkörper. Sorgsam darauf bedacht, jeden Blickkontakt mit den Kriegern zu vermeiden, versuchte er, von vornherein jeder Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. Er war hier, um Informationen zu sammeln, nicht um einen Streit vom Zaun zu brechen.
Geräuschlos durchquerte er den Schatten einer Dattelpalmenreihe in der Nähe eines Händlerwagens, dessen Besitzer offenbar soeben einen Soldaten zur Rede stellte.
»Ihr könnt Euch doch nicht einfach nehmen, was Ihr haben wollt!«, zeterte der Händler und versuchte dem Soldaten ein Seidenmuster zu entreißen, das dieser in den Händen hielt.
»Ich bin bewaffnet«, warnte der Soldat und zeigte ihm mit einem ekelhaften Grinsen seine Zähne.
Der Händler wich einen Schritt zurück und drohte ihm mit der geballten Faust. »Ich auch!«, weigerte er sich, klein beizugeben.
»Mag sein, aber hinter mir warten noch dreihundert andere Schwerter«, entgegnete der Soldat. Auf sein Nicken hin stürzten sich drei weitere Männer auf den bedauernswerten Kaufmann und drängten ihn, dabei die ganze Zeit lachend, unter wiederholten Fußtritten und Schlägen zu seinem Wagen zurück.
»Ich werde dafür sorgen, dass die Regierung in Jacintha davon erfährt!«, brüllte der Mann. »Ich habe Freunde in Chom Deiru!«
Offenbar hatten die Soldaten auf diese Bemerkung nur gewartet, auch wenn sie eine völlig andere Wirkung hatte als von dem Händler erhofft. Er drohte ihnen immer noch mit der erhobenen Faust, als der am nächsten stehende Soldat einen Dolch zückte und ihm diesen in die Seite rammte. Er stieß einen Schmerzensschrei aus und wich zurück – oder versuchte es zumindest, denn mittlerweile hatten die anderen zwei ebenfalls ihre Messer gezogen.
Zu dritt fielen sie über ihn her und stachen mehrmals auf ihn ein, sogar noch, als er bereits zu Boden sank.
Pagonel musste seine Instinkte gewaltsam unterdrücken, um sich nicht einzumischen; immer wieder ermahnte er sich, dass er damit sehr viel gravierendere Konsequenzen als die heimtückische Ermordung dieses einen
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