Schattenelf - 5 - Die Unterwerfung
übermäßig besorgt stimmen musste. Er hatte Palmaris in seiner Gewalt, und nichts anderes war sein Ziel gewesen. Jetzt konnte er die unmittelbare Umgebung der Stadt sichern, im Norden womöglich sogar bis hinauf nach Caer Tinella und Landsdown.
Doch die eigentliche Beute, die Aydrian sogar noch mehr begehrte als De’Unnero die Abtei St. Mere-Abelle, lag nicht im Norden, sondern im Westen.
Selbstverständlich hatte er seine Kommandanten bislang noch nicht über diesen kleinen Abstecher unterrichtet.
»Prinz Midalis wird nur dann für uns gefährlich bleiben, wenn es ihm gelingt, die Schwachstellen in unserer immer breiter werdenden Front auszumachen«, erklärte Aydrian. »Er wird versuchen, hinter unserem Rücken zuzuschlagen, oder jedenfalls dort, wo sich unsere Hauptstreitmacht gerade nicht befindet. Und das wird er nicht vor Anbruch des Winters können. Sichern wir also unseren Einflussbereich von Entel bis Ursal und von Ursal bis Palmaris«, erklärte der junge König. »Zeigen wir den Menschen dieses bevölkerungsreichsten Teils des Bärenreiches, dass Aydrians Königreich ihnen Frieden und Wohlstand beschert, schließlich ist das alles, was sie wollen. Wie ihr König heißt, interessiert sie wenig; was sie interessiert, ist, dass sie etwas zu essen auf dem Tisch stehen haben.«
»Midalis’ Anspruch auf den Thron ist keine unbedeutende Kleinigkeit«, gab De’Unnero zu bedenken. »Er wird viele ermutigen, sich uns zu widersetzen.«
»Je länger wir ihn von Palmaris fern halten können, desto bescheidener wird seine ermutigende Wirkung ausfallen«, warf Herzog Kalas ein. Er sah zu Aydrian und schenkte ihm ein wissendes Grinsen. »Es ist überaus wichtig, dass wir die Marschroute des Prinzen in Erfahrung bringen und ihm so viele Steine wie möglich in den Weg legen. Je weiter entfernt von Ursal wir gegen Midalis kämpfen, desto weniger Unterstützung wird er finden.«
Diese Diskussionen über die weltlichen Aspekte des Königreiches lasteten schwer auf De’Unneros kräftigen Schultern; er wirkte nervös und angespannt.
»Nur Geduld, mein Freund«, sagte Aydrian zu ihm. »Wir werden St. Mere-Abelle schon sehr bald ins Visier nehmen.«
»Nicht bald genug für mich«, gestand De’Unnero.
»Wir sind im Augenblick noch nicht so weit«, warf Herzog Kalas ein. »Ihr könnt mir glauben, wenn ich sage, ich sehne den Fall von St. Mere-Abelle ebenso herbei wie Ihr! Aber zuerst müssen wir die Herrschaft über die Seewege gewinnen, und das ist angesichts des nahenden Winters ein Ding der Unmöglichkeit. Außerdem gilt es, Prinz Midalis zu isolieren.«
»Wir werden die Herrschaft über das Meer gewinnen und über Mantis Arm«, versicherte Aydrian den beiden Männern. »Wenn wir gegen St. Mere-Abelle marschieren, dann sowohl von Osten als auch von Westen, und zwar, nachdem alle anderen Abteien des Bärenreiches, außer St. Belfour in Vanguard, fest in unserer Hand sind. Von außerhalb kann Fio Bou-raiy keine Unterstützung erwarten.«
Marcalo De’Unnero nickte und hatte einige Mühe, sich den in seinem Innern schwelenden Ärger nicht anmerken zu lassen. Natürlich war ihm der Plan bekannt, schließlich war er schon lange vor Aydrians Thronbesteigung Teil seiner – und Olins – ausgeklügelten Strategie gewesen. Doch dann hatte Aydrian, indem er Olin mit plumpesten Mitteln verführte, denen der alte Narr nicht wiederstehen konnte, diesen Plan geändert, ohne ihn um Rat zu fragen. Wie wollte Aydrian den Vorstoß entlang der Ostküste des Bärenreiches bewerkstelligen, solange seine gesamte Söldnerarmee noch im Süden, bei Jacintha, gebunden war?
»Die Zeit ist unser Verbündeter, nicht unser Feind«, wandte Aydrian sich an den Mönch, als hätte er seine Gedanken erraten. »Eine Kirche muss von außen, nicht von innen heraus erhalten werden, und je mehr Abteien wir von unserer Sichtweise überzeugen, desto schneller schrumpft der Einfluss des derzeitigen ehrwürdigen Vaters. Wir werden zu den Leuten sprechen, während Bou-raiy in den finsteren Korridoren von St. Mere-Abelle verfault.«
Er hielt inne, nickte und lehnte sich dann mit einem Lächeln zurück, so als liefe alles nach Plan.
Aydrian bedeutete dem Kurier mit einem Wink, sich zu entfernen, und als dieser Einwände vorzubringen begann, setzte der junge König eine überaus bedrohliche Miene auf.
Der Kurier verließ ohne weitere Verzögerung den Raum.
»Abt Olin hat ihn offenbar in den Norden geschickt, damit er uns findet, bevor er Yorkey
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