Schattenelf - 5 - Die Unterwerfung
bleiben. Ich nehme an, Ihr wollt von dieser mächtigen Zentralabtei aus über die abellikanische Kirche des Bärenreiches herrschen, während Abt Olin die abellikanische Kirche Behrens entweder von Jacintha oder von Entel aus regiert. Sollte es zu diesem Sieg kommen, werdet Ihr ohnehin lernen müssen, die Bestie in Eurem Innern eigenhändig zu beherrschen.«
»Und als Gegenleistung soll ich Euch die Frau überlassen, die ich liebe?«, lautete seine ungläubige Erwiderung.
»Letztendlich liegt es ganz allein bei ihr, zu entscheiden, welchen Weg sie gehen will«, erklärte Aydrian kalt.
»Sie hat sich längst entschieden.« Damit wandte sich der Mönch abermals zum Gehen.
»Was für ein Leben könnt Ihr ihr denn in St. Mere-Abelle bieten?«, rief Aydrian ihm nach, eine letzte ätzende Bemerkung, die De’Unnero zutiefst verletzte. Denn er hatte ja Recht, was für eine Art Leben würde Sadye in den düsteren Korridoren dieser von Männern dominierten Abtei führen?
Der Mönch wusste nichts darauf zu erwidern. Er verließ den Raum, doch Aydrians Stimme holte ihn noch einmal ein.
»Ich dagegen biete ihr die Welt«, rief ihm der junge König hinterher. »Und zwar die ganze!«
11. Stellung beziehen
Ein eiskalter, kräftiger Wind blies Belli’mar Juraviel ins Gesicht, während der Pfad sich in endlosen Biegungen zum Nordhang des Berges hinaufwand. Das Gelände vor ihm stürzte jählings in die Tiefe, bis hinunter zu einer undurchdringlichen, grauen Nebelschicht, unter der sich ein ausgedehntes Tal verbarg.
Wie vertraut Juraviel diese Pfade seiner Heimat waren; wie gut kannte er das vor ihm liegende Tal Andur’Blough Inninness mit seiner Baumstadt Caer’alfar, der Heimat der Touel’alfar! Nahezu fünf Jahre war er fort gewesen, und auch in den beiden Jahrzehnten davor hatte er seine Heimat des Öfteren für längere Zeit verlassen.
Jetzt aber tat es gut, wieder daheim zu sein, auch wenn das Gespenst Aydrians, König Aydrians, seine Freude merklich trübte.
Er blickte den Pfad zurück und sah seine Gefährten, ausnahmslos Doc’alfar, sich den Pfad hinaufkämpfen.
»Was hast du nur getan?«, erklang plötzlich eine aufgeregte Stimme in den Bäumen links von Juraviel, lange bevor seine Gefährten zu ihm aufgeschlossen hatten.
Trotz des ungewöhnlich schroffen Tons erkannte Juraviel die Stimme von To’el Dallia sofort wieder. Er drehte sich um und ließ den Blick forschend am Waldrand entlangwandern, bis er die Frau, eine Angehörige seines Volkes, inmitten des Dickichts aus Zweigen entdeckte.
»Das sind unsere lange verloren geglaubten Vettern, unsere entfernten Verwandten«, erwiderte Juraviel mit ernstem, fast feierlichem Unterton.
To’el Dallia kletterte zum Ende des Zweigs, bis sie Juraviel ganz nahe war, und musterte ihn von Kopf bis Fuß. Gerne hätte sie ihm gesagt, sie freue sich, ihn zu sehen – die vertraute Herzlichkeit stand deutlich in ihr waches, aufgewecktes Gesicht geschrieben. Aber da war auch ein dunkler Schatten, der sich über ihre Züge gelegt hatte, Ausdruck ihrer tiefen Sorge.
»Dies ist wohl kaum der rechte Augenblick, Fremde nach Andur’Blough Inninness mitzubringen«, erklärte To’el Dallia vorwurfsvoll. »Geh sofort zu ihnen und sag, sie sollen umkehren, und zwar auf der Stelle!«
Fast hätte Juraviel über diese aberwitzige Aufforderung gelacht – hätte er nicht den Anflug tiefer Besorgnis gespürt, die im Ton seiner Freundin mitschwang. Denn einen passenden Augenblick, Fremde nach Andur’Blough Inninness mitzubringen, gab es natürlich nicht. Von den Touel’alfar selbst einmal abgesehen, hatte man nur ganz wenigen Personen gestattet, die Schönheit des Elfentals zu bewundern, und das waren ausnahmslos auszubildende Hüter oder andere unerwartete Besucher gewesen, denen man in Zeiten großer Not Unterschlupf gewährt hatte, so wie im Falle der menschlichen Begleiter Juraviels, ausnahmslos Flüchtlinge, die der geflügelte Dämon damals, vor vielen Jahren, auf offener Straße angegriffen hatte. Im Zuge dieses letzten unerwarteten und unerwünschten Übergriffs war auch der Dämon Bestesbulzibar in das Elfental gelangt, und das ungeheure Schandmal, das diese Kreatur zurückgelassen hatte, die immer weiter um sich greifende Fäulnis auf diesem wunderschönen Land, hatte wiederum dazu geführt …
Nun, zu der gegenwärtigen Situation, das wurde Juraviel jetzt klar. Die Gegenwart des Dämons im Elfental, sein Zeichen der Schande und die um sich greifende Fäulnis hatten
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