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Schattenelf - 5 - Die Unterwerfung

Schattenelf - 5 - Die Unterwerfung

Titel: Schattenelf - 5 - Die Unterwerfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.A. Salvatore
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war.
    Befreit von den Banden ihres sterblichen Körpers, ließ Pony sich von derselben nächtlichen Brise davontragen, die auch die Melodie des Zentauren heranwehte. Sie stieg hoch hinauf, weit über das Blätterdach, und schlug kraft ihres Willens ein flottes Tempo an, mit dem sie die Entfernung rascher überbrückte als selbst auf dem kräftigen Symphony.
    Als sie Bradwarden schließlich fand, durchflutete ein Gefühl alles durchdringender Wärme ihr Herz, genau wie damals, bei ihrem ersten Wiedersehen mit Braumin und Roger. Da stand er, achthundert Pfund schwer und nichts als Muskeln. Ein nichts ahnender Beobachter hätte ihn aus der Entfernung für einen hoch gewachsenen Reiter auf einem etwas zu klein geratenen, braunen Pferd halten können, aus der Nähe aber sah man sofort, dass Ross und Reiter eine Einheit bildeten, denn Bradwardens muskulöser menschlicher Oberkörper wuchs dort empor, wo eigentlich der Hals seines Pferdeunterleibs hätte beginnen sollen.
    Der Zentaur hatte, ganz in seine eigene Musik versunken, die Augen geschlossen, der Dudelsack klemmte unter seinem kräftigen Arm, während er die Finger über die zahlreichen Öffnungen seines Flötenhalses fliegen ließ. Sein Haar war noch immer schwarz und buschig, und obwohl er inzwischen älter geworden war, ließen seine sich deutlich abzeichnenden Muskeln keine Spur von Schlaffheit erkennen. Alles in allem wirkte der Zentaur, als könnte er mit seinem kräftigen Arm ebenso mühelos Steine zermalmen, wie er die Luft aus seinem Dudelsack presste.
    Ponys Geist schwebte hinab und verharrte ein paar Augenblicke neben ihm in der Luft, bis der Zentaur, der ihre Gegenwart offenbar spürte, seine durchdringenden Augen weit aufriss. Sein Lied endete mit schriller Disharmonie.
    Der Zentaur sah sich nach allen Seiten um; er schien plötzlich auf der Hut und machte einen leicht verwirrten Eindruck.
    Pony wagte nicht, ihren Geist näher an ihn heranzuführen. Eine der großen Gefahren bei der Geisteswanderung bestand im allgegenwärtigen Bedürfnis des Geistes, in einen physischen Körper hineinzuschlüpfen. Geisteswanderung war eine Vorstufe der Inbesitznahme, und Inbesitznahme, das wusste Pony, war nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Immerhin, sie traute sich, ihre Hand nach Bradwarden auszustrecken und ihm damit eine Woge von Wärme und Freundlichkeit zu bescheren.
    »Was? Das kann ja wohl nicht sein«, murmelte er. Dann kniff er die Augen zusammen und sah sich neugierig um, denn das Gefühl war bereits wieder abgeklungen.
    Jetzt, da sie Bradwarden aufgespürt hatte, verschwendete Pony keine Zeit; kaum war ihr Geist durch den Seelenstein in ihren physischen Körper zurückgekehrt, machte sie sich sofort wieder auf den Weg. Sie hatte sich die Strecke genau gemerkt, außerdem war ihr das Gelände so vertraut, dass sie die Zeit genau abschätzen konnte, die sie brauchen würde, um zu dem Flöte spielenden Zentaur zu gelangen. Als sie ihn das Lied wiederaufnehmen hörte, wuchs ihre Zuversicht, Bradwarden so weit beruhigt zu haben, dass er sich nicht von der Stelle rühren würde, und ein verhaltenes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.
    Kurz darauf hörte das Flötenspiel abermals auf, diesmal jedoch nicht, weil Bradwarden die Gegenwart eines Geistes gespürt hatte, sondern vielmehr, weil er die Nähe einer lieben alten Freundin fühlte.
    »Tja, hab mich schon oft gefragt, ob ich dich jemals wiedersehen würde, Pony aus Dundalis!«, sagte er, als sie vor ihm aus dem Schatten der Bäume trat.
    Ponys Mund begann sich zu bewegen, aber vor lauter Freude brachte sie in diesem Augenblick kein einziges Wort heraus, also überquerte sie rasch die kleine Lichtung, warf sich dem Zentaur in die Arme und drückte ihn fest an sich.
    »Die Königin ist ohne Begleitung ihrer Armee unterwegs?«, wunderte sich Bradwarden, als es ihm endlich gelang, sie auf Armeslänge von sich wegzuschieben. »Darüber dürfte dein Gemahl nicht sonderlich erfreut sein …«
    Plötzlich hielt er inne und musterte sie stirnrunzelnd.
    »Mein Gemahl lebt nicht mehr«, erklärte Pony. »König Danube weilt nicht mehr in dieser Welt.«
    »Dann bist du also unterwegs, um Prinz Midalis zu suchen«, vermutete der Zentaur in einem Ton, der für Pony einen viel sagenden Beiklang hatte, verriet er ihr doch, dass ihn ihre Worte sorgenvoller stimmten, als es eigentlich der Fall sein sollte.
    »Sobald Prinz Midalis hier durchmarschiert, werde ich an der Spitze seiner Armee reiten«, erwiderte Jilseponie.

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