Schattenelf - 5 - Die Unterwerfung
Midalis ihm in diesen verwirrenden Zeiten nicht wirklich eine Antwort darauf geben konnte.
Als Meister Viscenti dem Masur Delaval und Palmaris schließlich den Rücken kehrte, um seine zweite Reise nach St. Mere-Abelle anzutreten, tat er dies nur äußerst widerstrebend. Der Mönch hatte lange am Ostufer des großen, träge dahinströmenden Flusses ausgeharrt und alle interessanten Neuigkeiten in sich aufgenommen, die über das Wasser gedrungen waren. Aber nachdem sich Palmaris schließlich in der Hand von Aydrians Truppen befand, hatte die Flotte Kurs Richtung Osten genommen, um die Städte entlang des Flussufers zu sichern und außerdem große Verbände von Kingsmen an Land zu setzen, die in der gesamten Region sofort zu Erkundungseinsätzen aufbrachen.
Marlboro Viscenti geriet in einen gewaltigen Flüchtlingstreck, der im Begriff war, sich zur Abtei St. Mere-Abelle abzusetzen, und als er schließlich selbst in der mächtigen, alten Abtei eintraf, fand er vor ihren Toren eine riesige Zeltstadt vor, in der nahezu ebenso viele Menschen hausten wie zu Zeiten der großen Rotfleckenpest. Die Menschen hatten Angst, das sah Viscenti sofort. Sie waren verwirrt und verzweifelt, weswegen sie sich an die einzige verlässliche Einrichtung hielten, zu der sie jetzt noch Vertrauen hatten.
Er fragte sich, ob Fio Bou-raiy, damals nicht gerade als Freund der Pestopfer bekannt geworden, sich diesmal gegenüber den Menschenmassen großzügiger zeigen würde.
Drinnen fand Viscenti die mächtige Abtei in einem Zustand hektischer Betriebsamkeit vor; weil sich auf Schritt und Tritt Ordensbrüder um ihn scharten und Informationen von ihm erbaten, kam er kaum voran. Er hielt sich mit seinen Äußerungen zurück und erzählte nur so viel, dass man ihn passieren ließ, denn bereits am Tor der Abtei war er von Abgesandten des ehrwürdigen Vaters in Empfang genommen worden, die ihn sofort zu einer Audienz gebeten hatten. Mit Hilfe einiger Vertrauter des ehrwürdigen Vaters gelang es dem Besucher schließlich, sich bis zum privaten Audienzzimmer durchzuschlagen.
Fio Bou-raiy war an diesem Tag offenbar in gedrückter Stimmung. Er begrüßte Viscenti mit finsterer Miene und der schlichten Frage: »Was ist passiert?«
»Aydrian«, lautete die ebenso schlichte Antwort des Mönches aus St. Precious, ehe er alles erzählte, was er über den Fall der Stadt Palmaris wusste.
Kaum hatte er den Bericht über die eigentliche Schlacht beendet, als Fio Bou-raiy ihn bereits unterbrach. »Uns ist zu Ohren gekommen, Bischof Braumin habe sich für diesen neuen König ausgesprochen. Und auch für Abt Olin und Marcalo De’Unnero.« Die Verärgerung, die aus diesen Worten sprach, war nicht zu überhören und ein sicheres Zeichen, dass der sonst so argwöhnische Bou-raiy die Geschichten über Braumins Kapitulation in vollem Umfang glaubte.
Meister Viscenti schlug die Augen nieder, denn ihm waren von zahllosen Flüchtlingen aus der Stadt die gleichen Geschichten zugetragen worden. Angeblich, so die Informanten aus dem eroberten Palmaris, hätten sie mit eigenen Ohren gehört, wie Bischof Braumin Aydrian im Amt bestätigt habe.
»Davon habe ich ebenfalls gehört«, räumte der nervöse Meister ein. »Seit dem Fall der Stadt Palmaris beschäftigt mich kaum etwas anderes.«
»Ist sie gefallen oder hat sie kapituliert?«, hakte Bou-raiy unerbittlich nach.
»Gefallen!«, beharrte Meister Viscenti. »Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Die Bevölkerung von Palmaris wurde trotz ihres heroischen Kampfes überwältigt. Die Ordensbrüder von St. Precious leisteten überaus hartnäckigen Widerstand, bis die Flammen bereits an den Mauern der Abtei emporzüngelten und Aydrians Truppen sich schließlich gewaltsam Zutritt verschafften.«
»Ihr habt dies alles mit eigenen Augen gesehen, und dennoch konntet Ihr entkommen?«
»Vieles habe ich vom anderen Flussufer aus beobachtet, und was ich nur vermuten konnte, wurde mir von den aus der Stadt fliehenden Menschen bestätigt«, erwiderte Viscenti.
»Von denselben Leuten, die behaupten, Bischof Braumin habe den neuen König und den neuen ehrwürdigen Vater offiziell anerkannt?«
Viscenti wollte schon einen hilflosen Seufzer ausstoßen, verneinte dann aber mit einiger Überzeugung. »Nein«, wiederholte er noch einmal, worauf sich die Geschehnisse in seiner Erinnerung etwas klarer abzuzeichnen begannen. »Die Berichte über die offizielle Anerkennung durch Bischof Braumin trafen erst später ein. Vermutlich handelt
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