Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
aufreizender Gelassenheit. »Meine Informationen über Eure Absichten – Verstärkung herzuschaffen und die Stadt anschließend zu überrennen – haben sich als richtig erwiesen. Die Unfähigkeit, das zuzugeben, ist ein Versagen Eurerseits, Yatol De Hamman, nicht meinerseits.«
Yatol De Hamman biss sich auf die Unterlippe und wandte den Blick ab – doch einen Moment darauf spähte er wieder zu seiner eindrucksvollen Begleiterin hinüber.
Brynn behielt ihn die ganze Zeit im Auge, ohne auch nur ein einziges Mal zu blinzeln.
Pagonel, der seitlich hinter dem Yatol stand, räusperte sich. »Ich werde noch einmal zusammen mit Pherol aufsteigen und mich auf die Suche nach weiteren versprengten Gruppen machen, die im Begriff sind, sich nach Jacintha abzusetzen«, kündigte er an.
»Bring sie dazu, dass sie umkehren«, willigte Brynn ein.
»Abt Olins Garnisonstruppen dürfen auf keinen Fall Verstärkung erhalten.«
Es war der Plan, den sie auf ihrem wochenlangen Marsch von Dharyan-Dharielle von Anfang an verfolgt hatten: Brynn und Pagonel hatten sich mit Pherol zu Erkundungsflügen in die Lüfte erhoben, und zu ihrem ungeheuren Vorteil hatte der prächtige Drache sich am Himmel ungehindert bewegen können. Sie hatten die Nester der fliehenden Behreneser eines nach dem anderen aufgespürt und sie nacheinander von der nach Osten führenden Straße verscheucht, nicht selten in die Sandwüste gejagt oder sie wie eine Viehherde bis zur nächstgelegenen Ortschaft oder Oase vor sich hergetrieben. Nur dreimal war es dabei zu kleineren Scharmützeln gekommen, die jeweils mit einer empfindlichen Niederlage der Behreneser geendet hatten, und selbst in diesen Situationen hatte Brynn sich rasch gezügelt, um die gegnerischen Verluste so gering wie möglich zu halten. Tatsächlich waren die Verluste unter den Kriegern des Bärenreiches am größten gewesen, denn viele von ihnen waren von empörten Behrenesern angegriffen und im Sand erschlagen worden.
Yatol De Hamman fragte: »Glaubt Ihr allen Ernstes, Jacintha besiegen zu können?«
»Ich bin der festen Überzeugung, dass Jacintha dies ganz allein besorgen wird – wenn es das nicht längst getan hat.«
Yatol De Hamman machte ein verwundertes Gesicht.
»Würdet Ihr Aydrian Eure Heimat ausliefern?«, fuhr Brynn fort. »Würdet Ihr Euer ganzes Erbe, Eure Sitten und Gebräuche, diesen Eroberern aus dem Norden opfern?« Sein Gesichtsausdruck verriet ihr, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte. Yatol De Hamman, davon war Brynn überzeugt, wusste um den wahren Charakter Abt Olins. »Und überhaupt, was würdet Ihr damit erreichen, Yatol De Hamman?«, fragte sie. »Oder, präziser ausgedrückt, was würdet Ihr damit auf lange Sicht erreichen?«
»Was wollt Ihr damit sagen?«
»Yatol Mado Wadons Stellung ist gefestigt worden«, erklärte Brynn. »Er hat das Amt des Chezru-Häuptlings übernommen, was nach dem Sturz Yakim Douans und dem Ende des Krieges vor den Toren Dharyan-Dharielles unser aller Wunsch war.«
»Dann hat er sein Ziel doch erreicht!«, rief der Yatol.
»Keineswegs, denn der Titel des Chezru-Häuptlings ist längst nicht so wichtig wie die persönlichen Ziele Abt Olins«, erwiderte Brynn. »Ich weiß, dass Euch diese Tatsache bekannt ist, ebenso wie ich den wahren Zweck Eures Überfalls auf Dharyan-Dharielle kenne. Also raus mit der Sprache, ist der Angriff auf meine Stadt auf Befehl Yatol Wadons oder Abt Olins erfolgt?«
»Es war ein Missverständnis.«
Brynn stieß ein hilfloses Lachen aus. »Ihr seid ein Narr. Klammert Euch meinetwegen an Euren Hochmut und an Eure Lügen. Ich werde die Eigenständigkeit Behrens gegen die Pläne König Aydrians aus dem Bärenreich verteidigen, mit oder ohne Eure Hilfe.«
»Ihr scheint allen Ernstes zu glauben, Ihr könntet Jacintha besiegen«, entgegnete der Yatol spöttisch.
Brynn ließ den Blick über ihre Streitmacht schweifen, gut eintausend To-gai-ru-Krieger. In der offenen Wüste konnte sie es mit einer Armee von der doppelten, vielleicht sogar dreifachen Größe aufnehmen, aber im Kampf gegen eine befestigte Stadt würden einige ihrer größten Vorteile, allen voran die größere Beweglichkeit ihrer Truppen, an Bedeutung verlieren. »Ich kann Jacintha nicht besiegen«, gestand sie. Als sie Yatol De Hamman daraufhin die Schultern straffen sah, fügte sie hinzu: »Jedenfalls nicht allein.«
Bei der Bemerkung erschien ein erschrockener Ausdruck auf dem selbstgefälligen Gesicht De Hammans.
»Nicht einmal gemeinsam
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