Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
Titels »Hüter« für würdig befindet – für würdiger als alle meine Vorgänger, meinen berühmten Vater eingeschlossen.
Anschließend werde ich Andur’Blough Inninness dem Erdboden gleichmachen.
Erst vor kurzem ist mir so recht bewusst geworden, wie tief mein Hass auf Dasslerond und ihr unerquickliches kleines Elfenvölkchen reicht. Gewiss, ich habe Andur’Blough Inninness voller Bitterkeit verlassen – und nach einem Kampf, der mich im Falle meiner Niederlage das Leben gekostet hätte. Trotz alledem, viele Monate lang waren meine Gefühle für die Touel’alfar eher von dem Wunsch beherrscht gewesen, sie zu widerlegen und ihrer aufgeblasenen Herrscherin das ehrliche Eingeständnis abzuringen, dass man dort nichts von mir hielt. All das entbehrt natürlich nicht der köstlichen Ironie, dass ich erst durch das Orakel, ein Geschenk der Elfen, gelernt habe, mich selbst und meine Fähigkeiten zu begreifen – eine Disziplin, auf deren Beherrschung ausgerechnet Lady Dasslerond stets größten Wert legte. Erst im Umgang mit dem Orakel habe ich die Eigensucht der Elfen begreifen gelernt. Erst dort habe ich ihre Gleichgültigkeit gegenüber mir und allen Menschen begriffen. Dort habe ich gelernt, ihre ungeheure Arroganz und ihre ewigen Lügen zu erkennen. Ich lernte, wie finster die Herzen der Touel’alfar sind, wie grausam ihr Großmut ist. Denn sie denken mitnichten daran, irgendetwas zum Wohle der Menschen zu tun. Für die Elfen ist ihre angebliche Freundschaft nichts weiter als ein Mittel, die absolute Herrschaft über sie zu erlangen und ihre Hüter dahingehend zu beeinflussen, dass ihr Tun ausschließlich dem Interesse der Touel’alfar dient.
Beim Orakel dagegen habe ich gelernt, ihr falsches Spiel gegen sie zu kehren. Während der kleinere Schatten im Spiegel mir noch damit in den Ohren lag, welch wundervolle Dinge mir die Elfen beibringen würden, drängte mich der große bereits, nicht aufzugeben. Also benutzte ich sie, so wie sie versucht haben, mich zu benutzen. Ich ließ mir von ihnen den Schwerttanz beibringen, ließ mich im Gebrauch der Edelsteine unterweisen und in den Sitten der Hüter.
Wie köstlich wird diese Ironie erst sein, wenn ich sie vernichte!
Ich frage mich, ob Brynn endlich das wahre Wesen dieser niederträchtigen Sklaventreiber erkannt hat. Ich frage mich, ob sie, als sie zur Herrscherin über To-gai aufstieg, noch fähig war zu erkennen, dass sie nichts weiter war als ein Werkzeug Dassleronds. Ich frage mich, ob sie im Dunkel ihres Spiegels beim Orakel ebenfalls einen Schatten sieht, ganz ähnlich dem meines heimlichen Mentors.
Wenn nicht, dann werde ich ihr Schatten werden.
Ich hoffe, sie im Sommer wiederzusehen und ihr dann in allen Einzelheiten vom Niedergang Dassleronds und der niederträchtigen Touel’alfar berichten zu können. Ich hoffe sehr, ihr damit endlich die Augen zu öffnen.
Denn es wäre mir wirklich eine große Freude, wenn Brynn Dharielle, der Drache von To-gai, mich auf meinem Weg begleiten würde – freiwillig und aus tiefer Überzeugung.
Und wenn nicht, soll es mir auch egal sein. Ich werde meinen Weg zur Unsterblichkeit mit den Leichen geringerer Männer und Frauen pflastern. Ich werde die Menschheit zum Gipfel ihres Ruhmes und ihrer Hoffnung führen: ein Ziel, das nur durch Krieg zu erreichen ist.
Das Orakel hat mir diesen Weg unmissverständlich aufgezeigt. Es ist ein Weg, den ich bereit bin zu beschreiten. Des Weiteren hat das Orakel mir deutlich zu verstehen gegeben, dass mein geplanter Abstecher nach Andur’Blough Inninness für meine Eroberung der Königreiche der Menschen nicht unbedingt vonnöten ist, dass es gleichwohl aber ein notwendiger Weg ist für den jungen König Aydrian.
Und sei es aus keinem besseren Grund als dem der süßen Genugtuung über Lady Dassleronds Untergang.
König Aydrian Boudabras
1. Der Griff nach der Macht
Entlang den Docks von Palmaris herrschte eine hektische, geradezu aggressive Betriebsamkeit. Die Kolonne der Wagen erstreckte sich über die gesamte Länge des schier endlosen Kais der Stadt, während sich ein Kriegsschiff nach dem anderen in seine Ladeposition schob. Im gesamten Hafengelände übten die Kingsmen in hartem, militärischem Drill Techniken für eine rasche, reibungslose Landung und die Errichtung von Verteidigungsstellungen. Mehrere Schiffe hatte man zu Reparaturarbeiten ins Trockendock gezogen, um ihren Rumpf frisch zu kalfatern und die eine oder andere durchgefaulte Planke zu ersetzen. Die
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