Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
die Macht des Throns hinter uns. Lasst uns aufbrechen und die abellikanische Kirche nach unseren Erkenntnissen reformieren.«
Das trug ihm abermals den Beifall der begeisterten Versammlung ein, Beifall, der Marcalo De’Unnero ein verstohlenes Grinsen entlockte. Natürlich war ihm jedes Lob für Bruder Avelyn höchst zuwider, gleichwohl war er sich der Notwendigkeit bewusst, seine Anforderungen durch eine gewisse Großmut zu mildern. Die jüngeren Ordensbrüder kannten Avelyn Desbris ausschließlich aus den Erzählungen seiner Bewunderer, von Männern wie Braumin Herde und all den anderen, die glaubten, sie hätten es seinem »Wunder« zu verdanken, dass sie die Rotfleckenpest überlebt hatten. De’Unnero war klug genug, diesen Überzeugungen nicht offen zu widersprechen. Nein, stattdessen würde er auf ihnen aufbauen und die Brüder ganz behutsam auf die von ihm gewünschte Linie bringen.
Noch am selben Tag begannen die Ordensbrüder von St. Precious ihren Marsch durch Palmaris – bewaffnet mit Edelsteinen zum Aufspüren magischer Kräfte sowie mit den während der Amtszeit von Bischof Francis und Bischof De’Unnero zusammengestellten Listen jener Kaufleute, von denen man wusste, dass sie mit Zauberkräften versehene Steine besaßen. Während er sie hinausmarschieren sah, dachte Marcalo De’Unnero noch einmal an die glücklichen Umstände, die ihn mit Aydrian zusammengeführt hatten. Hätte das Treffen einige Jahre früher stattgefunden, wäre Meister DeNauer jetzt ein toter Mann, in Stücke gerissen vom Wertiger. Und alles wäre umsonst gewesen, denn die Ordensbrüder von St. Precious hätten sich mit Grauen von De’Unnero abgewandt.
Aber jetzt …
Jetzt bestand Hoffnung. Aydrian hatte De’Unnero jene Selbstbeherrschung gelehrt, die er benötigte, um seinen Aufstieg innerhalb der Kirche zu vollenden.
Der von Ehrgeiz besessene Meister ließ den Blick über den mächtigen, träge dahinströmenden Fluss im Osten schweifen und rief sich noch einmal die massiven Mauern von St. Mere-Abelle vor sein inneres Auge, der ältesten und prächtigsten Abtei der Welt. Eines Tages, das wusste er, würde er von diesen Mauern aus regieren.
Oder er würde sie, mit Aydrians Hilfe, niederreißen.
»Ein Drache!« Der Ruf des Wachpostens bewog Brynn, ihren Blick nach Süden zu richten. Es war später Nachmittag, und ihr Besuch in Avaru Eesa lag bereits mehrere Tage zurück. Kurz nach ihrer Ankunft in Dharyan-Dharielle hatte die Kriegerführerin Pherol mit ihren Kommandanten losgeschickt, um die Krieger der To-gai-ru in ihren Dörfern aufzustöbern. Die momentane Entwicklung in Behren machte ihr Angst, und das beklemmende Gefühl, das sie in Avaru Eesa beschlichen hatte, hatte keineswegs nachgelassen. Offenkundig war das Bärenreich auf dem Marsch hierher, und ihr Freund Aydrian schien sich als ein ziemlich eroberungswütiger Heerführer zu entpuppen.
Brynn wusste, dass ihre Beklommenheit teilweise auf ihre Erinnerungen an Aydrian aus ihrer gemeinsamen Zeit bei den Touel’alfar zurückzuführen war. Damals hatte sie den jungen Hüter, mehrere Jahre lang ihre einzige menschliche Gesellschaft, sehr gemocht, aber die fast greifbare Gefahr, die von Aydrian ausging, hatte sie auch damals schon gesehen. Nach allem, was man hörte, hatte noch nie ein Hüter Dasslerond so viel Ärger gemacht. Der Grund dafür war ein inneres Feuer, das offenbar sogar stärker war als ihr dringendes Bedürfnis, To-gai von der behrenesischen Herrschaft befreit zu sehen. Aydrian besaß ein gefährliches Übermaß an Ehrgeiz und Eifer.
Aus Gründen der Vorsicht hatte Brynn die Krieger entlang des gesamten Landbruchs zusammengerufen und viele von ihnen nach Dharyan-Dharielle gebracht, um die dortigen Wachmannschaften zu verdreifachen und Erkundungstrupps auszusenden. Und natürlich besaß sie noch einen weiteren unschätzbaren Vorteil: den Drachen Pherol. Dank seines hervorragenden Sehvermögens und seiner großen Schnelligkeit konnte Brynn die Bewegungen jeder Armee in der Sandwüste verfolgen.
Zumindest bislang war De Hamman noch nicht entscheidend über Avaru Eesa hinaus vorgerückt.
Als der mächtige Drache näher kam, sah Brynn, dass er einen Reiter trug, und bei der Vorstellung machte ihr Herz einen Sprung. Es gab nicht viele, die Pherol auf diesen Platz mit bester Aussicht lassen würde, und wegen der Flugrichtung des Drachen, der von Südosten her nahte, hatte Brynn eine ziemliche klare Vorstellung, wer dieser Reiter sein musste.
Der
Weitere Kostenlose Bücher