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Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf

Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf

Titel: Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.A. Salvatore
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offenbar auch erheblich älter als der unnatürlich schnell alternde Wertiger blickte aus schläfrigen grauen Augen auf. »Habt Ihr das Gleiche nicht schon einmal versucht, Meister De’Unnero?«, fragte DeNauer. »Lautete nicht so der Auftrag eines gewissen Bischofs De’Unnero, als dieser in Palmaris Stellvertreter des ehrwürdigen Vaters Markwart war?«
    Marcalo De’Unnero betrachtete ihn mit starrem Blick und versuchte sein Gesicht einzuordnen, versuchte, sich irgendwie an ihn zu erinnern. Hatte er damals etwa zu den abtrünnigen Ordensbrüdern um Braumin Herde gehört? War er womöglich ein Anhänger Jojonahs und Avelyns? De’Unneros forschender Blick ging in ein Stirnrunzeln über, als er plötzlich spürte, wie allein schon der Gedanke daran eine Regung der Bestie in seinem Innern auslöste. Er verdrängte diesen wilden, schwer zu zügelnden Drang fürs Erste, indem er sich daran erinnerte, dass er und Aydrian die Ordensbrüder der eroberten Abtei einer eingehenden Prüfung unterzogen hatten und nur denen nach der Eroberung wieder eine Perspektive eingeräumt worden war, die sich gegenüber Aydrian und der Erneuerung der abellikanischen Kirche aufgeschlossen gezeigt hatten. Und Aydrians Vorgehensweise bei solchen Verhören, das wusste De’Unnero, ging weit über die Einblicke hinaus, die die menschliche Wahrnehmung bot. Aydrian hatte die Ordensbrüder mit Hilfe der Steine »untersucht«, um zu erfahren, wer von ihnen von Braumin Herdes Lügen bereits zu vereinnahmt war, um für De’Unneros Kirche noch von Nutzen zu sein.
    »Was glaubt Ihr, irrte der ehrwürdige Vater Markwart damals in allem, was er vorschlug?«, fragte De’Unnero, seine dunklen Augen zu schmalen Schlitzen verengt.
    Meister DeNauer lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und hielt dem drohenden Blick stand, ohne mit der Wimper zu zucken.
    »Denn seht Ihr, Bruder«, fuhr De’Unnero fort, als offenkundig wurde, dass er keine Antwort erhalten würde, »nach meiner Auffassung und der unseres neuen Königs haben die Anhänger von Avelyn Desbris in ihrer etwas hochmütigen Freude über das Ende der Rotfleckenpest und ihrer Zuversicht nach dem Sturz Markwarts die Gelegenheit ergriffen, die Großzügigkeit der abellikanischen Kirche ein wenig überzustrapazieren. Vielleicht sollten wir einfach die Schatzkammern sämtlicher Abteien öffnen und die Edelsteine an alle Bauern verteilen, die einen wünschen – und sie womöglich gar in deren Benutzung unterweisen.« Beim Sprechen lief er auf und ab und schwenkte in theatralischer Geste die Arme. »Vielleicht ist Bruder Avelyns feste Überzeugung, wir seien nicht anders als die Bauern, denen wir dienen, ja der richtige Denkansatz.«
    »Mir ist nie zu Ohren gekommen, dass jemand St. Avelyn eine derartige Äußerung zugeschrieben hätte«, hielt Meister DeNauer tapfer dagegen. Dass er Avelyn dabei als Heiligen titulierte, versetzte De’Unnero einen schmerzlichen Stich.
    »St. Avelyn?«, wiederholte De’Unnero betont ungläubig.
    »Es gibt hierzu eine offizielle Erklärung aus St. Mere-Abelle«, erwiderte Meister DeNauer. »Der Vorgang der Heiligsprechung wurde doch erfolgreich abgeschlossen, oder irre ich mich?«
    »Irgendwelche Erklärungen aus St. Mere-Abelle sind derzeit ohne jede Bedeutung, verehrter Bruder«, beeilte sich De’Unnero, ihn zu korrigieren. »Und zwar so lange, bis der dortige Klerus Aydrian als König anerkennt.«
    »Und folglich auch Marcalo De’Unnero als ehrwürdigen Vater?«
    Die Frage ließ eine Woge des Zorns durch De’Unneros Körper schießen, eine Woge, die in jeder Faser seines Seins die animalischen Triebe weckte. In diesem Moment wurde ihm klar, dass er Aydrian brauchte. Oder Sadye. Jemanden, der in der Lage war, den Wertiger zu bezähmen, der im Begriff war, sich seiner zu bemächtigen. Mühsam zwang er sich zur Vernunft. Wenn die Bestie in diesem Augenblick hervorbrach und diesen lästigen DeNauer in Stücke riss, wie konnte er dann hoffen, den übrigen Klerus jemals wirklich zu beherrschen? Mit dem ersten Aufblitzen seiner todbringenden Tigerkralle wäre seine Glaubwürdigkeit dahin.
    Er riss sich unter Aufbietung all seiner Kräfte zusammen und unterwarf sich jener Selbstdisziplin, die Aydrian ihm beigebracht hatte. Er schloss die Augen, fand einen Punkt, auf den er seine Gedanken konzentrieren konnte, und nach und nach gelang es ihm, den Trieb zu unterdrücken. Außerdem hatte er seinen rechten Arm vorsorglich im weiten Ärmel seines Gewandes verborgen, denn er

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