Schattenengel (Contoli-Heinzgen-Krimi)
derartige Situationen dargestellt wurden. Fort von der Gefahr. Wie konnte ich mich so in ihm irren? Und wie benebelt war ich, es nicht gemerkt zu haben? Aber halt, so fiel ihr ein, hatte sie sich nicht bereits gefragt, ob sein merkwürdiges Benehmen nur daher rührte, weil sie sich ein wenig wand, endgültig ins denkmalgeschützte Haus zu ziehen? Dass er ausgerechnet mit der Rivalin hierher ging, regte Anke fürchterlich auf. Er trug sogar eine Krawatte, eines seiner besseren Jacketts und selbst seine wuselige Zigeunermähne hatte er mit Gel unter Kontrolle gebracht. Anke war platt. Im ersten Impuls ruckte sie am Stuhl, wollte aufspringen und auf den Tisch zustürmen. Ihre Augen glühten und die Wut brannte in ihrem Bauch. Da sah Fabio auf.
„ Oh mein Gott, was ist passiert?«
Anke zog ihre Hand von der Stuhllehne.
„ Nichts.«
„ Sie sehen schreckensbleich aus, als wäre Ihnen der Teufel begegnet.«
„ Das wird er auch gleich,« murrte Anke.
Sie sah zu den beiden herüber. Die Frau war eindeutig jünger als sie selbst. Anke schätzte sie auf Anfang dreißig. Sofort überfiel sie die Klischeevorstellung: älterer Mann, wesentlich jüngere Frau. Wolf wird doch wohl nicht ..., nein, nicht Wolf. Er schien seine Umgebung nicht wahrzunehmen. Blickte nicht einmal um sich. So wird er mich nie bemerken. Sie konnte ja das Weinglas fallen lassen und in dem Moment süß lächelnd Fabio anschauen. Anke musterte die Frau genauer, während sie sich alle möglichen Schandtaten überlegte. Seine Begleitung war das völlige Gegenteil von ihr mit eindrucksvollen schwarz-braunen Haaren, die sie völlig aus der Stirn gekämmt und wie glatt gebügelt bis knapp auf die Schulter fallend trug. Ein aussagekräftiges Gesicht, von dem nicht eine Haarsträhne ablenkte. Völlig konträr zu ihrer eigenen kupferfarbenen Lockenmähne, die Wolf angeblich so an ihr liebte. Die beiden unterhielten sich angeregt, wobei Wolf immer ständig seine rechte Hand über den Tisch vorschob, als wolle er sie auf ihre legen. Nicht Wolf.
„ Warum sind sie auf einmal so still? Habe ich etwas Falsches getan, gesagt oder ...?«
„ Nun beziehen Sie doch nicht jede Reaktion von mir auf sich, so wichtig sind Sie nun wirklich nicht!«, herrschte Anke ihn an. Eine Nanosekunde später erkannte sie an seinem Gesicht, dass sie zu weit gegangen war. Mit einer hastigen Bewegung rückte Fabio seine Krawatte bis unters Kinn und erhob sich demonstrativ. Anke schoss vom Stuhl hoch.
„ Oh nein, nein, so hab ich das nicht gemeint, ich bin ...«
Sie sah zum Tisch ihres Mannes. Wolf hatte sie endlich entdeckt. Sein Gesicht schien für den Moment erstarrt, als glaube er nicht, was er sehe. Seine Begleiterin sagte etwas und er wandte sich wieder ihr zu, aber nur, um gleich darauf seinen Blick abermals auf Anke zu lenken. Sie stand unschlüssig und hielt sich mit einer Hand krampfhaft an der Stuhllehne fest. Eben hatte sie sich noch ganz passabel gefühlt. Jetzt würde sie sich am liebsten in Luft auflösen. Sie blickte Fabio an, der pikiert neben ihr stehen geblieben war. Anke nickte leicht in die Richtung des Paares.
„ Da vorne sitzt mein Mann und das auch noch mit einer anderen Frau, ich würde lachen, wenn es nicht so komisch wäre. Ich mit Ihnen, er mit ihr. Was sagt das aus?«
Fabio schwenkte seinen Blick in die angezeigte Richtung.
„ Sehr hübsch«, war alles, was er bemerkte.
Was tun, wieder hinsetzen oder rüber gehen? In der nächsten Sekunde packte sie den Stier bei den Hörnern.
„ Bin gleich wieder da«, warf sie Fabio Koll zu.
Forsch, als würde sie die Dame schon ewig kennen, streckte Anke ihr die Hand entgegen.
„ Ich bin Anke Heinzgen, schön Sie kennenzulernen.« Schnippisch fügte sie hinzu. „Unterhalten Sie sich gut mit meinem Mann?«
Wolf bekam Farbe ins Gesicht. Anke registrierte, wie seine Begleitung ihn einen Sekundenbruchteil unsicher ansah, bevor sie Ankes ausgestreckte Hand entgegennahm. Wolf stand auf. Er deute auf seine Begleiterin. Die Dame saß nun entspannt zurückgelehnt, und ihr distinguiertes Lächeln, das sie Anke gelassen zuwarf, machte sie wütend. Wolf atmete durch. „Darf ich dir Dr. Babette von Preuen vorstellen, mein neuer Supervisor.
Ich Hirschkuh. Wolf hatte ihr vor Wochen erzählt, dass sein alter Supervisor in Rente ging und ihn, wenn er einverstanden wäre, an seinen Nachfolger weiterreichen würde. Dass der aber eine Frau ist, hatte Wolf ihr verschwiegen oder es vorher selbst nicht gewusst. Alarm
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