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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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vollständigen Folge von Zügen zerstören.
    Warum hab eigentlich ich diesen Stein bekommen?
    »Wenn du betrunken wärst«, sagte Xinemus und beantwortete seinen Zug mit einem entschlossenen Gegenzug, »könnte ich vielleicht verstehen, warum du das gemacht hast.«
    Wie konnte der Marschall jetzt Witze reißen? Achamian musterte die Figurenkonstellation auf dem Spielbrett und begriff, dass sich die Regeln schon wieder geändert hatten – und diesmal verheerend. Er suchte nach einer Lösung, fand aber keine.
    Xinemus lächelte gewinnend und begann, sich die Fingernägel zu schneiden. »So wird sich auch Proyas fühlen, wenn er endlich kommt«, meinte er dann. Etwas in seinem Ton ließ Achamian aufsehen.
    »Wie meinst du das?«
    »Du hast doch von der jüngsten Katastrophe gehört.«
    »Von welcher Katastrophe?«
    »Von der Vernichtung des Gemeinen Heiligen Kriegs.«
    »Was?« Achamian hatte vor seiner Abreise aus Sumna vom Gemeinen Heiligen Krieg gehört, davon, dass vor einigen Wochen – noch vor der Ankunft des Hauptheers – ein paar Hohe Herren aus Galeoth, Conriya und Ainon beschlossen hatten, auf eigene Faust gegen die Heiden zu ziehen. Die Charakterisierung dieses Heerhaufens als Gemeiner Heiliger Krieg ging auf den amorphen Pöbel in ihrem Gefolge zurück. Achamian war nie auf die Idee gekommen, sich zu erkundigen, wie es diesem Heer ergangen war. Es hat begonnen. Das Blutvergießen hat begonnen.
    »Auf den Ebenen von Mengedda«, fuhr Xinemus fort. »Der heidnische Sapatishah – ein Mann namens Skaurus – hat dem Kaiser zur Abschreckung die geteerten Köpfe der Anführer Tharschilka, Kumrezzer und Calmemunis geschickt.«
    »Calmemunis? Meinst du den Cousin von Proyas?«
    »Dieser überhebliche, eigensinnige Narr! Ich hab ihn inständig gebeten, hierzubleiben, Akka. Ich hab vernünftig mit ihm geredet, hab ihn angeschrien, hab mich sogar bei ihm einzuschmeicheln versucht und mich damit zum Idioten gemacht, aber der blöde Kerl wollte nicht auf mich hören.«
    Achamian war Calmemunis einmal begegnet – am Hof von Proyas’ Vater. Unerhörte Selbstüberschätzung, gepaart mit Dummheit – die bloße Erinnerung an diese gefährliche Mischung ließ den Hexenmeister schon zusammenzucken. »Mal abgesehen davon, dass er geglaubt hat, auf Gottes eigenen Wunsch zu handeln – was meinst du, warum er losgezogen ist?«
    »Weil ihm klar war, dass er mit der Ankunft von Proyas kaum mehr als ein mit dem Schwanz wedelnder Schoßhund wäre. Er hat ihm den Vorfall bei Paremti nie verziehen.«
    »Was ist denn in der Schlacht bei Paremti zwischen den beiden passiert?«
    »Das weißt du nicht? Anscheinend ist mir noch immer nicht richtig klar, wie lange wir uns nicht mehr gesehen haben, alter Freund. Ich hab wirklich jede Menge Gerüchte zu erzählen.«
    »Später«, meinte Achamian. »Sag mir erst mal, was bei Paremti passiert ist.«
    »Proyas hat Calmemunis auspeitschen lassen.«
    »Auspeitschen lassen?« Diese Neuigkeit bereitete Achamian große Sorge. Hatte sein alter Schüler sich so verändert? »Wegen Feigheit?«
    Xinemus bekam ein finsteres Gesicht, als würde er Achamians Bedenken teilen. »Nein. Wegen Ungläubigkeit.«
    »Soll das ein Witz sein? Proyas hat einen Adligen wegen Ungläubigkeit auspeitschen lassen? Wohin hat sein Fanatismus ihn bloß getrieben, Xin?«
    »Ins Abseits«, antwortete Xinemus rasch, als schämte er sich für seinen Herrn. »Aber nur für kurze Zeit. Ich war tief enttäuscht von ihm, Akka. Ich war todunglücklich darüber, dass dieses fast göttliche Kind, das wir beide unterrichtet haben, als Erwachsener zu solchen… Extremen fähig ist.«
    Ja, Proyas war ein beinahe göttliches Kind gewesen. In seinen vier Jahren als Hofmeister in Aöknyssus, der Hauptstadt von Conriya, hatte Achamian sich in den Jungen verliebt – mehr sogar noch als in seine legendäre Mutter. Schöne Erinnerungen waren das. Damals war er in sonnendurchfluteten Wandelhallen und über verschattete Gartenwege geschlendert, hatte geschichtliche, logische und mathematische Probleme diskutiert und auf einen nicht enden wollenden Strom von Fragen geantwortet…
    »Meister Achamian – wo sind all die Drachen geblieben?«
    »Sie sind in uns, kleiner Proyas. Auch in dir.«
    Das Stirnrunzeln. Das enttäuschte Ballen der Fäuste. Wieder hatte ihm sein Lehrer nur eine indirekte Antwort gegeben.
    »Also gibt es auf der Welt keine Drachen mehr, Meister Achamian?«
    »Bist du denn nicht auf der Welt, Proyas?«
    Zu dieser Zeit war

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