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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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»sie«.
    »Um die Scharlachspitzen zu beobachten? Zum Teil ja, denke ich. Aber natürlich geht es noch um…« – ganz kurz stand ihm Inraus Bild vor Augen – »… um mehr; es geht ja immer um mehr.«
    Wer hat dich umgebracht, Inrau?
    Irgendwie hatte Xinemus trotz der Dunkelheit in Achamians Miene lesen können. »Was ist los, Akka? Was ist passiert?«
    Achamian sah auf seine Hände. Er wollte Xinemus alles erzählen, wollte ihm von seinen abwegigen Bedenken in Bezug auf den Tempelvorsteher berichten und die verwirrenden Umstände von Inraus Tod ausbreiten, denn diesem Mann traute er wie keinem anderen innerhalb und außerhalb seines Ordens. Doch die Geschichte schien einfach zu lang, zu verwickelt und zu sehr mit seinen eigenen Fehlern und Schwächen behaftet, um sie mit Xinemus zu teilen. Esmenet hätte er davon erzählen können, aber sie war ja auch eine Hure – jemand ohne Schamgefühl.
    »Das ist jetzt gut so, denke ich«, sagte Achamian leichthin und zog ein wenig an den frisch gespannten Schnüren des Zelts. »Das Ding hält mir immerhin den Regen vom Leib.«
    Xinemus musterte ihn einen Moment lang sprachlos und bohrte zum Glück nicht nach.
    Sie kehrten zu den drei anderen Soldaten am Lagerfeuer zurück. Zwei davon waren Hauptmänner aus der Garnison von Attrempus, hatten ledern wirkende Gesichter und waren Altersgenossen ihres Marschalls. Dinchases – der älteste der drei – war im Stab des Xinemus, seit Achamian den Marschall kannte. Zenkappa – der jüngste – war ein Sklave aus Nilnamesh, den Xinemus von seinem Vater geerbt und später wegen seiner Tapferkeit auf dem Schlachtfeld zum freien Mann erklärt hatte. Nach Achamians Einschätzung waren beide anständige Kerle. Der Dritte – Iryssas – war der jüngste Sohn des einzigen noch lebenden Onkels von Xinemus und (wenn Achamian sich recht entsann) Haushofmeister des Hauses Krijates.
    Doch keiner der Männer nahm von ihrer Rückkehr Notiz. Sie waren entweder zu betrunken oder zu sehr ins Gespräch vertieft. Dinchases schien eine Geschichte zu erzählen.
    »… dann hat der Große, der Thunyeri…«
    »Erinnert ihr euch überhaupt noch an Achamian?«, rief Xinemus dazwischen. »An Drusas Achamian?«
    Die drei wischten sich die Augen, unterdrückten ein Lachen und wandten sich ihm mit prüfendem Blick zu. Zenkappa lächelte und hob seinen Kelch, Dinchases hingegen musterte ihn peinlich genau, und in Iryssas Augen stand offene Feindseligkeit.
    Mit einem schnellen Seitenblick bemerkte Dinchases die finstere Miene des Marschalls und hob dann – wenn auch widerwillig – gleichfalls seinen Kelch. Er und Zenkappa neigten den Kopf und gossen dann einen Schluck Wein als Trankopfer ins Feuer. »Seid willkommen, Achamian«, sagte Zenkappa mit echter Herzenswärme. Als freigelassener Sklave hat er mit Parias wohl weniger Schwierigkeiten als seine Kameraden, vermutete Achamian. Die nämlich waren beide von Adel – Iryssas stammte sogar aus hochadeligem Hause.
    »Wie ich sehe, habt Ihr Euer Zelt aufgebaut«, sagte Iryssas beiläufig. Er hatte den skeptisch prüfenden Blick eines aggressiv Betrunkenen.
    Achamian schwieg.
    »Dann sollte ich mich wohl mit Eurer Anwesenheit abfinden, was?«
    Der Hexenmeister wich seinem Blick nicht aus, ärgerte sich aber darüber, dass er ein nervöses Schlucken nicht unterdrücken konnte. »Das solltet Ihr wohl.«
    Xinemus sah seinen Cousin zornig an. »Die Scharlachspitzen spielen eine Rolle in diesem Krieg, Iryssas. Darum solltest du froh sein, dass Achamian hier ist. Ich jedenfalls bin es.«
    Achamian hatte schon zahllose Wortwechsel wie diesen erlebt. Die Gläubigen versuchten, für ihren Umgang mit Hexern vernünftige Motive ins Feld zu führen, und ihre Begründung blieb sich stets gleich: Sie sind nützlich…
    »Vielleicht hast du recht, Vetter – der Feind meines Feindes ist mein Freund, nicht wahr?« Die Leute in Conriya hüteten ihren Hass mit Argusaugen. Nach Jahrhunderten des Kampfs gegen Ainon und die Scharlachspitzen hatten sie die Mandati – wenn auch widerwillig – zu schätzen gelernt. Zu sehr, wie ihre Priester immer wieder sagten. Doch von allen Orden konnten es nur die Mandati als intime Kenner der Gnosis des Alten Nordens mit den Scharlachspitzen aufnehmen.
    Iryssas hob seinen Kelch und schüttete den Inhalt vor seine Füße. »Mögen die Götter mein Trankopfer wohlwollend annehmen, Drusas Achamian. Mögen sie einen Verdammten feiern…«
    Fluchend verpasste Xinemus dem Feuer einen Tritt, und

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