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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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wenn man jemandem beipflichtet, den man für dümmer hält als sich selbst.«
    Achamian lächelte und nickte weise.
    Xinemus lachte auf. »Wie auch immer – Proyas hat so etwas wie bei Paremti seitdem nicht wiederholt. Und kaum zurück in Aöknyssus, hat er Calmemunis angeboten, sich Peitschenschlag für Peitschenschlag bei ihm zu revanchieren – und zwar am Hof des Königs.«
    »Und Calmemunis hat das akzeptiert? So blöd kann er doch gar nicht sein!«
    »Tja – der Holzkopf hat das Angebot angenommen und Nersei Proyas tatsächlich vor den Augen des Königs und des Hofstaats ausgepeitscht. Das ist der eigentliche Grund dafür, dass Calmemunis Proyas nie vergeben hat: Mit dem Peitschenschwingen bei Hofe hat er die letzten Reste seiner Ehre verscherzt. Und kaum hatte er das begriffen, hat er behauptet, Proyas habe ihn ausgetrickst.«
    »Und du meinst, deshalb wollte Calmemunis unbedingt den Gemeinen Heiligen Krieg anführen?«
    Xinemus nickte traurig. »Deshalb sind er und hunderttausend andere gestorben.«
    Große Katastrophen ergeben sich oft aus Nichtigkeiten. Die Unduldsamkeit eines Prinzen und die Dummheit eines überheblichen Provinzfürsten…
    Hunderttausend Tote…
    Achamian blickte kurz auf das Benjukabrett und sah – warum auch immer – seinen Zug sofort. Xinemus schien überrascht, dass der Hexenmeister die Partie noch fortsetzen wollte, und verfolgte, wie Achamian eine anscheinend unwichtige Figur auf ein anderes Feld rückte.
    Hunderttausend Tote – war das auch eine Art Spielzug?
    »Du gerissener Fuchs«, zischte Xinemus, konzentrierte sich auf das Brett und machte nach kurzem Zögern seinen Gegenzug.
    Einen Fehler, wie Achamian sofort sah. Durch eine kurze Gedankenlosigkeit hatte Xinemus seinen Vorteil komplett verschenkt. Warum sehe ich das plötzlich so deutlich?
    Benjuka. Zwei Spieler. Zwei unterschiedliche Ziele. Ein Ergebnis. Wer bestimmte das Resultat? Der Sieger? Doch echte Siege waren selten – beim Benjuka wie im Leben. Meist war das Ergebnis ein wackliger Kompromiss. Aber wem verdankte er sich? Etwa niemandem?
    Achamian begriff, dass der eigentliche Heilige Krieg schon sehr bald von Momemn losmarschieren, die fruchtbare Provinz Anserca durchqueren und dann in feindliche Gegenden kommen würde. Bisher war ihm dieser Angriff stets völlig abstrakt erschienen, als bloßer Spielzug, auf den es – bis jetzt – keinen Gegenzug gab. Aber das ist kein Spiel. Der Heilige Krieg wird aufbrechen, und egal, wie er ausgeht – Tausende und Abertausende werden sterben.
    So viele Menschen. So viele konkurrierende Absichten. Und nur ein Ergebnis. Wie würde es aussehen? Und wer würde es herbeiführen?
    Niemand?
    Dieser Gedanke erschreckte Achamian. Der Heilige Krieg erschien ihm plötzlich als unsinniges Glücksspiel, als Würfelwurf vor dem Hintergrund einer unbekannten, aber tiefschwarz drohenden Zukunft. Das Leben unzähliger Tausender – auch sein eigenes – im Tausch für das ferne Shimeh. Gab es überhaupt ein Ziel, das ein solches Risiko wert war?
    »Hunderttausend Tote«, fuhr Xinemus fort und war sich offenbar nicht bewusst, wie ernst es für ihn auf dem Benjukabrett stand. »Eine Handvoll davon hab ich gekannt. Und um die Sache noch schlimmer zu machen, hat der Kaiser unsere Bestürzung sofort ausgenutzt. Er fordert, wir sollten aus dem Fehler des Gemeinen Heiligen Kriegs lernen.«
    »Und dieser Fehler wäre?«, fragte Achamian, den die Figurenkonstellation auf dem Spielfeld noch immer ablenkte.
    »Die Dummheit, nicht unter Führung von Ikurei Conphas losgezogen zu sein.«
    Achamian sah auf. »Aber der Kaiser hat Calmemunis und die anderen doch großzügig mit Lebensmitteln versorgt und ihnen den Abmarsch dadurch erst ermöglicht?«
    »Stimmt. Aber er hatte ja versprochen, alle, die seinen verflixten Vertrag unterzeichnen, üppig zu verproviantieren.«
    »Dann haben Calmemunis und die anderen also tatsächlich unterschrieben…« Dessen war man sich in Sumna nicht sicher gewesen.
    »Warum auch nicht? Solche Männer scheren sich nicht um ihr Wort. Die können mit leichter Hand versprechen, alle eroberten Gebiete an das Kaiserreich zurückzugeben, weil sie sich an diese Abmachung sowieso nicht gebunden fühlen.«
    »Aber Calmemunis und die anderen haben den Plan des Kaisers doch bestimmt durchschaut«, überlegte Achamian weiter. »Ikurei Xerius weiß genau, dass die Hohen Herren ihm nichts abtreten werden. Der Vertrag ist nur ein Vorwand, um zu verhindern, dass der Tempelvorsteher

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