Schattenfall
ächzte wehmütig. »Diese Erkenntnis verdanke ich übrigens Achamian.«
Xinemus lächelte matt. »Ich auch… Dieser Achamian ist ein ausgesprochen weiser Tor.«
Und böse… ein Gotteslästerer. Wie sehr wünschte ich, du würdest das nie vergessen, Xin!
»Ein weiser Tor – wohl wahr.«
Als die übrigen Männer aus Conriya sahen, dass ihr Prinz sicher an Land gegangen war, begannen auch sie, die Schiffe Richtung Strand zu verlassen. Jedes Mal, wenn Proyas aufs Meneanor-Meer sah, trieb die raue Brandung nun mehr Boote ans Ufer. Bald wäre der Strand voller Männer, seiner Männer, doch es war gut möglich, dass auch sie das Verhängnis traf. Warum, gütiger Gott? Warum legst du uns solche Lasten auf, da wir doch Deinen Willen zu vollbringen suchen?
Er befragte Xinemus einige Zeit intensiv zu Einzelheiten von Calmemunis’ Niederlage: Ja, der Statthalter war ganz sicher tot, denn die Fanim hatten seinen abgeschlagenen Kopf als Botschaft geschickt. Nein, niemand wusste, wie die Heiden das Heer der Angreifer vernichtet hatten. Xinemus sagte, die Überlebenden hätten berichtet, die Zahl der Heiden sei gewaltig gewesen; auf jeden Inrithi seien mindestens zwei von ihnen gekommen. Doch Überlebende einer großen Niederlage – das war Proyas klar – neigen zu solchen Aussagen. Endlose Fragen quälten ihn, und jede wollte so verzweifelt gestellt sein, dass er Xinemus oft mitten in der Antwort unterbrach. Außerdem plagte ihn das merkwürdige Gefühl, betrogen worden zu sein, als ob sein allzu langer Aufenthalt in Conriya und auf See das Ergebnis fremder Machenschaften wäre.
Er bemerkte das herannahende kaiserliche Gefolge erst, als es schon fast angelangt war.
»Conphas ist persönlich gekommen«, sagte Xinemus grimmig und nickte Richtung Strand, »um Euch für sich zu gewinnen.«
Obwohl Proyas dem Feldherrn nie begegnet war, erkannte er Ikurei Conphas sofort. Sein gesamtes Auftreten – der gottähnliche Gleichmut seiner Miene; die vertraut kriegerische Art, den versilberten Helm unterm rechten Arm zu halten – zeigte, dass ihm die kaiserlichen Traditionen Nansurs genau bewusst waren. Dieser Mann bewegte sich sogar auf dem Sandstrand mit katzenhafter Anmut.
Als sich ihre Blicke trafen, lächelte Conphas, wie Helden lächeln mochten, die einander bisher nur durch Gerüchte und den ihnen vorauseilenden Ruf bekannt waren. Dann stand er vor ihm, der beinahe mythische Sieger über die Scylvendi. Proyas gelang es kaum, von seiner Gegenwart unbeeindruckt zu sein, und er verspürte sogar ein wenig Ehrfurcht.
Conphas beugte den Oberkörper leicht vor, streckte die Rechte zum soldatischen Händedruck aus und sagte dabei: »Im Namen von Ikurei Xerius III. dem Kaiser von Nansur, heiße ich Euch, Prinz Nersei Proyas, in unseren Gefilden und zum Heiligen Krieg willkommen.«
In euren Gefilden… Du hättest es doch am liebsten, wenn es auch euer Heiliger Krieg wäre…
Proyas verneigte sich nicht und übersah die ausgestreckte Hand geflissentlich.
Statt erschrocken oder gekränkt zu reagieren, setzte Conphas einen ironisch prüfenden Blick auf.
»Ich fürchte«, fuhr er lässig fort, »einiges, was jüngst geschehen ist, macht es uns schwer, einander zu vertrauen.«
»Wo ist Gotian?«, fragte Proyas.
»Der Hochmeister der Tempelritter erwartet Euch oben am Hang. Er mag es nicht, wenn ihm Sand in die Schuhe kommt.«
»Und Ihr?«
»Ich war klug genug, Sandalen anzuziehen.«
Diese Bemerkung löste so viel Heiterkeit aus, dass Proyas unwillkürlich mit den Zähnen knirschte.
Da der Prinz schwieg, fuhr Conphas fort: »Wie ich erfahren habe, gehörte Calmemunis zu Eurem Heer. Kein Wunder, dass Ihr nicht Euren Leuten, sondern anderen die Schuld geben wollt, aber ich möchte Euch versichern, dass der Statthalter von Kanampurea an seiner eigenen Torheit zugrunde gegangen ist.«
»Daran zweifle ich nicht.«
»Dann nehmt Ihr also die Einladung des Kaisers an, ihn in seinem Palast zu treffen?«
»Um seinen Vertrag zu besprechen, vermute ich stark.«
»Unter anderem.«
»Ich möchte erst mit Gotian reden.«
»Wie Ihr wollt, mein Prinz. Aber vielleicht könnt Ihr Euch die Spucke sparen, wenn ich Euch erzähle, was der Hochmeister sagen wird. Gotian wird Euch berichten, dass der Hochheilige Tempelvorsteher allein Euren Calmemunis für das Desaster auf den Ebenen von Mengedda verantwortlich macht. Und er wird Euch sagen, dass diese Katastrophe Maithanet tief bewegt hat und ihn ernsthaft darüber nachdenken lässt, die
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