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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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für gewöhnlich Dinchases, Zenkappa und Iryssas – zu ihnen, und dann vergingen die Stunden mit deftigen Witzen und respektlosem Tratsch. An anderen Abenden saßen sie nur zu zweit beisammen und sprachen über ernstere, schmerzlichere Dinge. Mitunter aber – wie auch diesmal – saß Achamian allein am Feuer.
    Die Nachricht, die Flotte aus Conriya sei angelangt, hatte sich vor Tagesanbruch verbreitet. Xinemus war kurz danach aufgebrochen, um alles für die Ankunft des Kronprinzen vorzubereiten. Er war schlecht gelaunt gewesen, weil ihm – wie Achamian sicher annahm – davor graute, Proyas von Calmemunis und dem Gemeinen Heiligen Krieg zu berichten. Als Achamian vorgeschlagen hatte, ihn zum Treffen mit Proyas zu begleiten, hatte Xinemus ihn nur ungläubig angestiert und geschnauzt: »Er wird mir auch ohne dich schon den Kopf abreißen!«
    Vor seinem Aufbruch war Xinemus aber doch ans morgendliche Lagerfeuer geritten gekommen und hatte Achamian versprochen, Proyas zu sagen, er sei vor Ort und müsse dringend mit ihm reden.
    Zwischen Hoffen und Bangen hatte sich Achamians Tag schier endlos hingezogen.
    Proyas war Maithanets Freund und Vertrauter. Wenn einer dem Tempelvorsteher würde Informationen entlocken können, dann er. Und warum sollte er das nicht tun? Schließlich verdankte er sehr vieles von dem, was er war und was andere ihn als den Sonnenprinzen bezeichnen ließ, seinem alten Lehrer Drusas Achamian.
    Mach dir keine Sorgen, Inrau…Er ist mir etwas schuldig.
    Doch die Sonne sank, ohne dass Xinemus Nachricht gegeben hatte. Zweifel und Alkohol ergriffen von Achamian Besitz. Furcht ließ die Reden und Erklärungen, die er im Stillen hielt und mit denen er sich Mut machen wollte, immer hohler tönen, und in diese Hohlräume sickerten Wut und Gehässigkeit.
    Mir verdankt er alles! Ich hab ihn zu dem gemacht, was er ist! Das würde er nie wagen!
    Bald taten ihm diese bitteren Gedanken leid, und er begann, sich in Erinnerungen zu ergehen. Er dachte daran, wie Proyas als Kind einmal weinend und sich den Arm haltend durchs Halbdunkel der Walnussbäume mit seinen da und dort leuchtenden Sonnenflecken angelaufen gekommen war. »Steig doch in die Bücher, du Dummkopf!«, hatte er ihm nur zugerufen. »Da brechen die Äste nicht.« Und er dachte daran, wie er Inrau einmal in der Schreibstube überrascht und dabei beobachtet hatte, wie er in der gelangweilten Art pubertierender Jungen ein Gemächt nach dem anderen auf ein unbeschriebenes Blatt malte. »Das soll wohl Kalligrafie sein, was?«, hatte er da gebrummt.
    »Meine Jungs«, murmelte er ins Feuer. »Meine wunderbaren Jungs.«
    Schließlich hörte er Reiter durch die Dunkelheit kommen und sah Xinemus an der Spitze einiger Ritter aus Conriya. Der Marschall stieg im Dunkeln ab, kam ans Feuer und rieb sich den Nacken. Seine Augen hatten den lustlosen Blick eines Menschen, der noch eine letzte schwierige Aufgabe zu bewältigen hat.
    »Er will dich nicht sehen.«
    »Er muss unglaublich beschäftigt sein«, platzte Achamian heraus. »Und erschöpft! Was bin ich für ein Narr gewesen. Morgen vielleicht…«
    Xinemus seufzte schwer. »Nein, Akka. Er will dich überhaupt nicht sehen.«
    Mitten auf Momemns berühmtem Kamposea-Markt hielt Achamian an einem Stand mit Bronzewaren. Ohne sich um den finsteren Blick des Händlers zu kümmern, nahm er einen großen polierten Teller in die Hand und tat, als suchte er darauf nach kleinen Fehlern. Er wandte ihn von rechts nach links und wieder nach rechts und musterte dabei in der verschwommenen Spiegelung des Tellers die hinter ihm vorbeidrängende Menge. Dann sah er den Mann erneut, der diesmal mit einem Wurstverkäufer zu feilschen schien. Er war glatt rasiert, hatte schwarzes, nach Sklavenart kurzgeschnittenes Haar und trug einen blauen Leinenkittel und darüber ein gestreiftes Gewand nach Art der Nilnameshi. Achamian sah Kupfermünzen im Schatten des Standes den Besitzer wechseln. Dann wandte sich der gespiegelte Mann mit einer im Brotmantel steckenden Wurst ins Sonnenlicht. Sein bohrender Blick musterte das wimmelnde Markttreiben und verweilte nur kurz hier und da. Schließlich nahm der Mann einen kleinen Bissen und richtete die Augen auf Achamians Rücken.
    Wer bist du?
    »Was soll das?«, rief der Bronzehändler. »Suchst du Essensreste zwischen den Zähnen?«
    »Viel schlimmer«, entgegnete Achamian düster. »Ich mach mir Sorgen, dass ich die Pocken hab.« Er brauchte den Mann nicht anzusehen, um zu wissen, wie sehr ihn

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