Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
Vom Netzwerk:
diese Antwort erschreckte. Eine Frau, die sich die Weinkelche des Händlers angeschaut hatte, verschwand schnell in der Menge.
    Achamian sah im Spiegel, dass der Mann sich schlendernd vom Wurststand entfernte. Obwohl er sich nicht in unmittelbarer Gefahr wähnte, durfte der Hexenmeister diese Verfolgung natürlich nicht ignorieren. Wahrscheinlich gehörte der Mann zu den Scharlachspitzen, die aus naheliegenden Gründen an ihm interessiert waren; vielleicht arbeitete er aber auch für den Kaiser, der jeden um des Bespitzeins willen bespitzelte. Doch es gab immer auch die Möglichkeit, dass der Mann zum Kollegium der Luthymae gehörte. Wenn die Tausend Tempel Inrau getötet hatten, wussten sie vermutlich, dass Achamian in Momemn war. In diesem Fall musste er herausfinden, was der Mann wusste.
    Lächelnd hielt Achamian dem Bronzehändler den Teller hin, doch der Mann zuckte zurück wie vor glühenden Kohlen. Also warf er die Platte krachend auf das schimmernde Metallgeschirr und zog damit die Blicke der Vorübergehenden an. Soll er ruhig denken, ich würde mich streiten.
    Doch wenn er seinen Verfolger zur Rede stellen sollte, ging es weniger um das Wie als um das Wo. Der Kamposea-Markt jedenfalls war sicher der falsche Ort.
    Vielleicht in einer schmalen Seitengasse…
    Achamian sah einen Vogelschwarm über den großen Kuppeln des Xothei-Tempels kreisen, der hinter einer Mietshausfront an der Nordseite des Marktplatzes aufragte. Neben dem Tempel stand ein hohes Gerüst mit einem schräg stehenden Obelisken – dem neuesten Geschenk des Kaisers für den Tempelbezirk Cmiral. Achamian fiel auf, dass dieser Obelisk etwas kleiner war als die, die dahinter im Dunst aufragten.
    Er drängte sich durch die Menge und an zahllosen Ständen vorbei nordwärts, hielt dabei nach Lücken zwischen den Häusern Ausschau, die auf den einen oder anderen selten benutzten Marktausgang deuten mochten, und vertraute darauf, dass der Mann ihm weiter folgte. Beinahe wäre er über einen Pfau gestolpert, dessen prachtvoller Federkranz viele rote Augen zeigte, die die Vorbeigehenden böse anzufunkeln schienen. Den Nansur waren Pfauen heilig, die deshalb überall in der Stadt ungehindert herumstreunen durften. Dann sah Achamian eine Frau im Fenster eines der Mietshäuser sitzen und dachte kurz an Esmenet.
    Wenn sie über mich Bescheid wissen, dann auch über sie…
    Noch ein Grund mehr, sich den Kerl zu schnappen, der ihm nachschlich.
    Am Nordende des Marktplatzes kam er an Koppeln voller Schafe und Schweine vorbei, sah sogar einen riesigen, schnaubenden Bullen und vermutete, all diese Tiere sollten an die Priester von Cmiral verkauft werden, die sie bei ihren Riten opfern würden. Kurz darauf entdeckte er eine passende Seitengasse: einen schmalen Gang zwischen Ziegelmauern. Er kam an einem Blinden vorbei, der hinter einer Matte mit Schmuckanhängern saß, und hastete ins feuchte Halbdunkel der Gasse.
    Das Summen von Fliegen dröhnte ihm ins Ohr, und er sah Aschehaufen und schmierige Eingeweide, blanke Knochen und tote Fische. Der Gestank war voller Fäulnis, doch Achamian zog sich bis an einen Punkt zurück, wo der Mann ihn nicht sofort sehen konnte.
    Dort wartete er.
    Der Gestank zwang ihm ein Husten ab.
    Er musste sehr um Konzentration kämpfen und sagte sich immer wieder den Zauberspruch auf, mit dem er den Verfolger fangen würde. Wie so oft fiel es ihm schwer, die Hintergrundgedanken zu mobilisieren, ohne die die magische Formel unwirksam war. Er staunte immer ein wenig über seine Fähigkeit zu hexen, umso mehr, wenn er – wie diesmal – tagelang keinen wichtigen Zauberspruch getan hatte. Aber in den neununddreißig Jahren bei den Mandati hatten ihn seine Fähigkeiten – jedenfalls in dieser Hinsicht – nie enttäuscht.
    Ich bin ein Ordensmann.
    Durch den schmalen Spalt der Gasse sah er auf der sonnenhellen Querstraße Gestalten vom und zum Markt eilen. Von seinem Verfolger war noch immer keine Spur zu entdecken.
    Der schleimige Unrat war inzwischen über den Rand seiner Sandalen gekrochen und schob sich zwischen seine Zehen. Achamian spürte die Fische unter seinen Sohlen zucken und sah eine Made aus einer leeren Augenhöhle rollen.
    Das ist doch Wahnsinn! Niemand ist dumm genug, mir hierher zu folgen.
    Er hetzte aus der Seitengasse, schirmte die Augen gegen die blendende Sonne ab und musterte die Ecke des Marktplatzes, die er von seinem Standpunkt aus übersehen konnte.
    Der Mann war nirgends zu entdecken.
    Ich bin hier der Dummkopf…

Weitere Kostenlose Bücher