Schattenfall
Hat er mich überhaupt verfolgt?
Wütend brach Achamian die Suche ab und machte sich eilig daran, die Dinge einzukaufen, derentwegen er eigentlich in die Stadt gekommen war.
Er hatte so gut wie nichts über die Scharlachspitzen in Erfahrung gebracht und nicht das Geringste über Maithanet und die Tausend Tempel herausgefunden; auch Proyas wollte sich noch immer nicht mit ihm treffen. Weil er keine neuen Bücher auftreiben konnte und Xinemus anfing, ihm seine ständige Trinkerei vorzuhalten, wollte Achamian eine alte Leidenschaft wiederbeleben: das Kochen. Alle Hexenmeister hatten ein wenig Alchimie studiert, und alle Alchimisten – sofern sie etwas taugten – waren gute Köche.
Xinemus war der Ansicht, er würde sich dadurch erniedrigen, denn Kochen sei etwas für Frauen und Sklaven, doch Achamian wusste es besser. Der Marschall und seine Offiziere würden spotten, solange sie nicht probiert hatten; danach aber würden sie ihm schweigend Respekt zollen – wie jedem, der eine ehrwürdige Kunst virtuos beherrschte. Endlich wäre Achamian dann mehr als der Gott lästernde Bettler an ihrer Tafel. Mochten ihre Seelen auch durch ihn gefährdet sein – ihr Appetit wenigstens wäre befriedigt.
Doch Ente, Porree, Curry und Schnittlauch waren vergessen, als er den Mann wieder entdeckte – diesmal unterhalb des Gilgallic-Tors im Gedränge derer, die aus der Stadt strömten. Er sah ihn nur kurz im Profil, doch es war derselbe Mann. Dasselbe stümperhaft geschnittene Haar. Dasselbe abgetragene Gewand.
Ohne zu überlegen, ließ Achamian seine Einkäufe fallen.
Jetzt bin ich mit der Verfolgung dran.
Er dachte an Esmi. Ob sie wussten, dass er in Sumna bei ihr gewohnt hatte?
Ich kann nicht riskieren, ihn zu verlieren – egal, ob ich dadurch auffalle.
Normalerweise verachtete Achamian solch übereiltes Vorgehen. Doch im Laufe der Jahre hatte er festgestellt, dass die Umstände es selten erlaubten, sorgfältige Pläne in die Tat umzusetzen, und ohnehin fast alles in überstürzten Aktionen endete.
»He!«, rief er durch das Stimmengewirr und verfluchte im nächsten Moment einmal mehr seine Dummheit. Was wäre, wenn der Mann fliehen würde? Offensichtlich wusste er, dass Achamian ihn entdeckt hatte – warum hätte er es sonst vermieden, ihm in die Gasse zu folgen?
Doch glücklicherweise hatte der Mann ihn nicht gehört. Beharrlich arbeitete Achamian sich zu ihm durch und behielt dabei die ganze Zeit mit wütendem Blick seinen Hinterkopf im Auge. Der Hexenmeister wurde oft beschimpft und fing sich sogar ein paar böse Rippenstöße, als er sich zwischen den Leuten hindurchschob. Doch er konzentrierte sich nur auf den Hinterkopf, der langsam näher kam.
»Gütiger Sejenus!«, schrie ein Parfümierter neben Achamian. »Nächstes Mal stech ich dich ab!«
Noch näher. Die Zaubersprüche zur Unterjochung des Willens anderer jagten ihm durch den Kopf. Die Leute ringsum würden sie hören – das war ihm klar. Und dann würden sie es wissen, und er wäre als Gotteslästerer enttarnt.
Was passiert, passiert. Ich muss mir diesen Mann schnappen!
Noch näher. Nah genug…
Er streckte die Hand aus, packte den Mann an der Schulter und riss ihn herum. Einen Herzschlag lang konnte er ihn nur sprachlos anstarren. Der Fremde warf ihm einen finsteren Blick zu und schüttelte die Hand ab.
»Was soll denn das?«, stieß er hervor.
»Tut… tut mir leid«, antwortete Achamian hastig und konnte den Blick nicht vom Gesicht seines Gegenübers wenden. »Ich hab Euch mit jemandem verwechselt.« Aber das ist er doch, oder?
Hätte er das Hexenmal gesehen, dann hätte er das Ganze für einen Trick gehalten, aber nichts dergleichen war zu erkennen – nur ein zänkisches Gesicht. Er hatte einfach einen Fehler gemacht.
Aber wie war das möglich?
Der Mann musterte ihn einen Moment lang verächtlich und schüttelte dann den Kopf. »Dumme Saufnase.«
Ein paar grauenhafte Minuten lang konnte Achamian nur im Strom der Menge taumeln. Er ärgerte sich darüber, seine Lebensmittel fallen gelassen zu haben.
Aber egal. Kochen war sowieso etwas für Sklaven.
Esmenet saß allein und zitternd am Lagerfeuer des Sarcellus.
Einmal mehr fühlte sie sich der Wirklichkeit entrückt. Sie hatte sich aufgemacht, einen Hexenmeister zu finden, und ausgerechnet ein Tempelritter hatte sie gerettet. Jetzt saß sie hier und blickte über unzählige, von Soldaten des Heiligen Kriegs entzündete Feuer. Wenn sie mit zusammengekniffenen Augen Richtung Momemn
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