Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
Vom Netzwerk:
Schönheit und zwischendurch auch ohne jede Begründung.
    Bestrafung um der Bestrafung willen.
    Sie war hilflos. Und ganz allein. Selbst die Götter hatten sie im Stich gelassen.
    Angst.
    Serwë stand benommen und unerklärlich erschöpft in der Morgenkälte. Der Scylvendi und sein merkwürdiger Begleiter, dieser Norsirai, hatten die letzten geplünderten Vorräte auf die übriggebliebenen Pferde der Munuäti geladen. Jetzt sah sie den Häuptling zu den anderen zwölf Frauen des Gaunum-Haushalts gehen, die er ein Stück entfernt angebunden hatte. Sie klammerten sich an ihre Ketten, als würden sie darin Trost finden, und drängten sich in erbärmlicher Angst aneinander. Serwë kannte all diese Frauen, fand aber, dass sie nicht wiederzuerkennen waren.
    Das da war die Frau von Barastas, die einen fast ebenso großen Hass auf Serwë gehabt hatte wie die Frau des Peristus. Und das dort war Ysanna, die im Garten geholfen hatte, bis der Hausherr befunden hatte, für diese Arbeit sei sie zu hübsch. Serwë kannte sie alle. Doch was steckte wirklich in ihnen?
    Sie konnte hören, wie sie weinten und flehten. Nicht um Gnade – wer die Berge überquert hatte, wusste sich außerhalb jeglicher Milde –, sondern um Leib und Leben. Welcher vernünftige Mensch zerstörte schon nützliches Werkzeug? Die eine konnte kochen, die andere waschen und nähen, und eine dritte brächte tausend Sklaven Lösegeld, wenn er sie bloß leben ließe…
    Die junge Ysanna, deren linkes Auge vom Faustschlag eines Munuäti noch ganz verschwollen war, rief zu ihr rüber: »Serwë, Serwë! Sag ihm, dass ich sonst nicht so aussehe. Sag ihm, dass ich schön bin! Serwë, bitte! Bitte!«
    Doch Serwë sah weg und tat, als hörte sie sie nicht.
    Denn sie hatte zu viel Angst.
    Sie hatte vergessen, seit wann sie ihre Tränen nicht mehr spürte. Inzwischen musste sie sie immer erst schmecken, um zu merken, dass sie weinte.
    Ohne auf die Schreie der Frauen zu achten, schritt der Scylvendi zwischen sie, verpasste denen, die nach ihm greifen wollten, ein paar Schläge und schloss die gebogenen Enden des Pfahls auf, an den die Gefangenen gekettet waren. Die Frauen sammelten sich auf allen vieren um Cnaiür und jammerten. Als er sein Messer zog, begannen einige zu kreischen.
    Er griff eine von ihnen – eine dralle Küchensklavin namens Orra – an der Kette und zog sie mit einem Ruck heran. Sofort hörte sie auf zu kreischen. Doch statt sie zu töten, begann Cnaiür, ihre Ketten aufzubrechen, wie er das in der Nacht zuvor bei Serwë getan hatte.
    Die sah erstaunt zum Norsirai hinüber. Wie hieß er noch mal? Kellhus? Er betrachtete sie ernst und doch auch ermutigend und sah gleich darauf weg.
    Orra war frei, saß einfach nur da und rieb sich sprachlos die Handgelenke. Der Scylvendi befreite schon die nächste Gefangene.
    Plötzlich begann Orra, den Hang hinaufzulaufen, wobei die Mischung munter schwabbelnden Fetts und krauser Verzweiflung absurd anmutete. Als ihr niemand folgte, blieb sie mit gequälter Miene stehen, hockte sich dann hin und schoss wilde Blicke in alle Richtungen. Serwë musste bei ihrem Anblick an die Katze des Hausherrn denken, die einfach zu ängstlich gewesen war, um sich richtig von ihrem Fressnapf zu entfernen – selbst, als Kinder ihr schwer zugesetzt hatten. Acht weitere Frauen hatten sich bald zur argwöhnisch wachenden Orra gesellt, darunter auch Ysanna und die Frau des Barastas. Nur vier waren weitergelaufen und bereits außer Sicht.
    Etwas an diesem seltsamen Warten machte Serwë das Atmen schwer.
    Der Scylvendi ließ die Ketten an Ort und Stelle liegen und ging wieder zu Serwë und Kellhus.
    Der Norsirai fragte ihn etwas, das sie nicht zu verstehen vermochte. Cnaiür zuckte die Achseln und betrachtete Serwë.
    »Andere werden sie finden und zu nutzen wissen«, meinte er leichthin. Ihr war klar, dass er das zu ihr gesagt hatte, da der Mann namens Kellhus ja kein Scheyisch sprach. Dann sprang er auf sein Pferd, betrachtete die acht verbliebenen Frauen und rief ihnen ungerührt zu: »Wenn ihr uns folgt, schieß ich euch die Augen einzeln aus.«
    Daraufhin begannen die Freigelassenen wieder, wie verrückt zu heulen, und flehten ihn an, sie nicht im Stich zu lassen. Die Frau des Barastas schluchzte sogar, sie wolle ihre Ketten zurück. Doch der Scylvendi schien das Gejammer nicht zu hören und befahl Serwë, ihr Pferd zu besteigen.
    Und die war froh. Von Herzen froh! Und die anderen waren neidisch.
    »Hierher, Serwë!«, hörte sie die

Weitere Kostenlose Bücher