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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Kämpfer auf Erden.
    Mochte der Utemot auch zu viel wissen – Kellhus wusste längst nicht genug, jedenfalls noch nicht. Und wie gefährlich es auch sein mochte, das Kaiserreich zu durchqueren: Einen Versuch war es wert. Falls sich die Schwierigkeiten als unüberwindlich erweisen sollten, würde er sein Vorgehen eben überdenken.
    »Wenn sie misstrauisch werden«, gab Kellhus zurück, »kannst du deinen Sinneswandel doch mit der Katastrophe am Kiyuth erklären. Behaupte einfach, die wenigen Utemot, die den Feldzug von Ikurei Conphas überlebt haben, seien von ihren eigenen Nachbarn niedergemetzelt worden, und du seist der einzige Überlebende – ein Enteigneter, den Kummer und Unglück aus der Heimat getrieben haben.«
    »Und welche Rolle willst du annehmen, Dunyain?«
    Kellhus hatte sich darüber schon tagelang Gedanken gemacht.
    »Ich bin der Grund dafür, dass du dich dem Heiligen Krieg anschließt. Ein Prinz bin ich, den du getroffen hast, als du durch deine verlorene Heimat nach Süden gezogen bist. Und dieser Prinz hat im hintersten Winkel der Welt von Shimeh geträumt. Die Bewohner des Gebiets der Drei Meere wissen fast nichts von Atrithau – eigentlich nur, dass die Stadt ihre legendäre Apokalypse überstanden hat. Wir werden aus dem Dunkel zu ihnen kommen, Scylvendi. Und wir werden die sein, die wir zu sein behaupten.«
    »Ein Prinz…«, wiederholte Cnaiür skeptisch. »Und woher noch mal?«
    »Ein Prinz aus Atrithau, dem du auf deiner Reise durch die nördlichen Einöden begegnet bist.«
    Obwohl Cnaiür die Strategie nun verstand und sogar guthieß, wusste Kellhus, dass er innerlich noch immer stark zweifelte. Wie viel würde sein Begleiter ertragen, um den Tod seines Vaters gerächt zu sehen?
    Der Häuptling wischte sich mit dem nackten Unterarm über Mund und Nase und sagte: »Fürst ohne Land also.«
     
     
    Im Frühlicht beobachtete Kellhus, wie der Scylvendi voraus zu einem hohen Pfahl ritt, auf den ein Schädel gepflanzt war, der noch Reste vom Wetter gegerbter Haut und einen dunklen, wuscheligen Haarschopf aufwies – einen typischen Scylvendi-Schopf. Links und rechts des Pfahls waren in regelmäßiger Entfernung weitere Pfähle mit Scylvendi-Köpfen in die Erde gerammt, und zwar in genau dem Abstand, den die Mathematiker des Conphas errechnet hatten, so dass nach jeweils einer Meile eine dieser grausigen Trophäen kam.
    Kellhus wandte sich im Sattel nach Serwë um, die ihn durchdringend musterte.
    »Sie werden ihn töten, wenn man uns findet«, sagte sie. »Weiß er das denn nicht?« Ihr Ton gab ihm zu verstehen: Wir brauchen ihn nicht, Liebster. Du kannst ihn ruhig umbringen. Kellhus sah alle Szenarien, die sich hinter ihren Augen drängten. Ihm war klar, dass sich im Laufe der letzten Tage ein brennendes Bedürfnis in ihr aufgestaut hatte, das sich jetzt – bei der ersten Begegnung mit den Pfählen der Nansur – artikulieren wollte.
    »Du darfst uns nicht verraten, Serwë«, gab Kellhus so ernst zurück, wie ein Vater bei den Nymbricani mit seiner Tochter sprechen mochte.
    So schön ihr Gesicht auch war – jetzt entgleiste ihr vor Bestürzung die Mimik. »Dich würde ich nie verraten, Kellhus«, platzte sie heraus. »Das musst du doch wissen…«
    »Ich weiß, dass du dich fragst, was mich an diesen Scylvendi bindet, Serwë. Aber das geht über deinen Horizont. Doch eins sollte dir klar sein: Wenn du ihn verrätst, verrätst du auch mich.«
    »Kellhus, ich…« Ihr Schreck hatte sich in Schmerz verwandelt, und sie kämpfte mit den Tränen.
    »Du musst ihn ertragen, Serwë.«
    Sie wandte sich von seinen furchtbaren Augen ab und begann zu weinen. »Um deinetwillen?«, brachte sie bitter hervor.
    »Ich bin nur die Verheißung.«
    »Die Verheißung?«, rief sie erregt. »Wessen Verheißung?«
    Doch Cnaiür war zurückgekehrt, ritt an ihnen vorbei zur kleinen Karawane der Packpferde und lächelte ironisch, als er Serwë weinen sah.
    »Behalte diesen Augenblick gut im Gedächtnis, Mädchen«, meinte er auf Scheyisch. »Denn du erlebst gerade die einzige Begegnung, die dir mit diesem Mann beschieden ist.«
    Dann lachte er grell auf, beugte sich von seinem Pony runter, wühlte in einer Satteltasche, kramte ein fleckiges Wollhemd hervor und zog es an. Das Hemd konnte sein brutales Aussehen kaum kaschieren, verbarg aber immerhin seine Narben. Die Nansur würden auf solche Souvenirs sicher nicht freundlich reagieren.
    Der Scylvendi wies auf die dünne Reihe von Pfählen. Sie folgten dem Auf und Ab

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