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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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verspüren. Dann rappelte er sich auf und kam schwankend auf die Beine.
    »Halt die Klappe«, sagte er zu Serwë, vermochte den Blick dabei aber nicht von Kellhus zu wenden.
    Das Mädchen jammerte weiter und rief dem Dûnyain etwas zu.
    Cnaiür ließ den Blick von Kellhus zu seiner Beute springen, ging zu ihr und brachte sie mit einer Ohrfeige zum Schweigen. »Maul halten, hab ich gesagt!«
    »Glaubst du mir jetzt?«, fragte Kellhus erneut.
    Serwë wimmerte leise und kämpfte gegen ihr Schluchzen an.
    So viel Leid.
    »Ich glaube dir«, antwortete Cnaiür, brachte es dabei aber nicht fertig, den Blick seines Gegenübers zu erwidern, und beobachtete stattdessen Serwë.
    Kellhus hatte gewusst, dass der Utemot ihm diese Antwort geben würde, doch es ist ein ziemlicher Unterschied, ob man sich damit zufriedengibt, um ein Eingeständnis zu wissen, oder ob man es klar und deutlich einfordert.
    Doch als der Scylvendi den Dûnyain endlich ansah, stand wieder der alte Zorn in seinen Augen und loderte mit fast körperlicher Intensität. Was Kellhus zuvor nur vermutet hatte, wurde ihm nun zur Gewissheit: Der Scylvendi war wahnsinnig.
    »Ich glaube jedenfalls, dass du mich zu brauchen meinst, Dûnyain – fürs Erste.«
    »Was soll das heißen?«, fragte Kellhus ehrlich verblüfft. Der Kerl wird immer rätselhafter.
    »Du willst dich dem Heiligen Krieg anschließen und so nach Shimeh gelangen.«
    »Ich weiß mir keinen anderen Rat.«
    »Bei all deinem Gerede über das, was notwendig ist, hast du allerdings vergessen, dass ich für die Inrithi ein Heide bin«, entgegnete Cnaiür. »In ihren Augen unterscheide ich mich kaum von den Fanim, also von denen, die sie abschlachten wollen.«
    »Dann bist du von jetzt an eben kein Heide mehr.«
    »Sondern einer, der sich zu ihrer Religion bekehrt hat?« Der Utemot lachte ungläubig auf.
    »Nein – ein Mann, der die Barbarei hinter sich gelassen hat. Ein Überlebender der Schlacht am Kiyuth, der den Glauben an die Sitten, Gebräuche und Traditionen seines Stamms verloren hat. Vergiss nicht: Wie alle anderen halten sich auch die Inrithi für das auserwählte Volk und für den Gipfel der Zivilisation. Und schmeichelhafte Lügen werden nur zu gern geglaubt.«
    Kellhus merkte, wie beunruhigt der Scylvendi darüber war, dass sein Begleiter so viel über die Inrithi wusste. Der Häuptling hatte seine Position nämlich dadurch abzusichern versucht, Kellhus alle Informationen über das Gebiet der Drei Meere vorzuenthalten. Der Dûnyain dechiffrierte all die Schlussfolgerungen, die über Cnaiürs finsteres Gesicht huschten, und sah ihn einen kurzen Seitenblick auf Serwë werfen… Aber es gab weit dringendere Aufgaben.
    »Die Nansur werden sich für solche Geschichten überhaupt nicht interessieren«, sagte Cnaiür. »Für die zählen nur die Narben auf meinen Armen.«
    Kellhus wusste nicht, warum der Häuptling so hartnäckig Widerstand leistete. Wollte der Utemot Moënghus etwa nicht finden und umbringen?
    Wie kann er mir bloß noch immer ein Rätsel sein?
    Der Dunyain nickte auf jene achselzuckende Art, die Einwände nur vordergründig gelten lässt, in Wirklichkeit aber verwirft. »Serwë sagt, im Kaiserreich sammeln sich auch Völker aus dem Osten des Gebiets der Drei Meere. Denen können wir uns anschließen und den Nansur so aus dem Weg gehen.«
    »Vielleicht…«, antwortete Cnaiür langsam. »Wenn wir es bis Momemn schaffen, ohne in eine Auseinandersetzung zu geraten.« Doch dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Wir Scylvendi streifen nicht einfach so herum. Mein Anblick wird zu viele Fragen und zu viel Empörung auslösen. Du hast ja keine Ahnung, wie tief sie uns verachten, Dûnyain.«
    Cnaiürs Verzweiflung war unverkennbar. Kellhus begriff, dass er die Hoffnung, Moënghus zu finden, schon zum Großteil aufgegeben haben musste. Wie hatte ihm das entgehen können?
    Doch die wichtigere Frage war, ob der Scylvendi die Wahrheit sagte. War es wirklich unmöglich, das Kaiserreich mit Cnaiür zu durchqueren? Wenn ja, dann müsste er…
    Nein. Alles hing davon ab, sich von den Verhältnissen nicht einengen zu lassen, sondern sie zu beherrschen. Er würde sich dem Heiligen Krieg nicht bloß anschließen – er würde die Führung an sich reißen und ihn zu seinem Werkzeug machen. Doch wie bei jeder neuen Waffe brauchte er Unterricht und Übung. Und die Chance, jemand anderen zu finden, der so viel Einblick und Erfahrung besaß wie Cnaiür von Skiötha, war minimal. Man nennt ihn den brutalsten

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