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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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den Heiligen Krieg stand, hatte er sich die ganze Zeit geweigert, darüber oder über seine Pläne zu sprechen. Doch seine Absichten waren eindeutig gewesen: Er hatte sie ins Gebirge geführt, um Zeit zu gewinnen, wie Kellhus es schon andere hatte tun sehen, die zu schwach waren, von einer fixen Idee zu lassen. Cnaiür musste die Jagd auf Moënghus fortsetzen, obwohl er wusste, dass sie eine Farce war.
    Doch demnächst würden sie ins Kaiserreich kommen, dorthin also, wo man den Scylvendi bei lebendigem Leibe die Haut abzog. Auf dem langen Weg zum Gebirge hatte Cnaiür nur befürchtet, Kellhus würde ihn töten – jetzt hingegen, da er sicher sein konnte, die bloße Anwesenheit des Scylvendi würde demnächst zu einer tödlichen Gefahr für den Dunyain werden, war er davon überzeugt. Kellhus hatte die Entschlossenheit des Utemot an diesem Vormittag immer wieder aufblitzen sehen – sei es in den Worten des Häuptlings, sei es in seinen misstrauischen Seitenblicken gewesen. Wenn er sich nicht an den Sohn halten könnte, um den Vater zu töten, würde Cnaiür von Skiötha diesen Sohn eben umbringen.
    Obwohl er doch wusste, dass das unmöglich war.
    So viel Qual.
    Hass ist in Ausmaß und Stärke Gezeiten unterworfen und kann auf die Ermordung Hunderttausender zielen, aber auch darauf, das Ich-Bewusstsein oder den Wahrheitsbegriff zu suspendieren. Hass ist ein Werkzeug von außerordentlicher Wirkungskraft.
    »Was möchtest du hören?«, fragte Kellhus. »Dass ich dich jetzt, da wir beinahe im Kaiserreich sind, nicht mehr brauche? Und dich deshalb töten will? Weil es unmöglich ist, Nansur in Begleitung eines Scylvendi zu durchqueren?«
    »Du hast es selbst gesagt, Dunyain, damals, als du gefesselt in meinem Zelt gesessen hast: Leute wie du denken nur an ihre Mission.«
    Überaus scharfsinnig! Der brachiale Hass dieses Utemot ging mit einer fast übernatürlichen Schlauheit einher. Cnaiür von Skiötha war gefährlich… Warum sollte er seine Begleitung noch länger ertragen?
    Weil der Häuptling die Welt noch immer besser kannte als er. Und – wichtiger noch – weil er den Krieg kannte. Schließlich war er von Kindes Beinen an darauf gedrillt worden.
    Ich habe noch immer Verwendung für ihn.
    Sollten die Pilgerstraßen nach Shimeh geschlossen sein, bliebe Kellhus nur die Möglichkeit, sich dem Heer anzuschließen, das sich zum Heiligen Krieg sammelte. Doch die Aussicht auf Krieg stellte ihn vor ein beinahe unüberwindliches Dilemma. Er hatte sich stundenlang in Trance versetzt, um noch den abseitigsten Kriegsverlauf durchzuspielen, aber ihm fehlten dafür einfach die Grundlagen. Es gab zu viele beängstigend unbeständige Variablen. Und etwas Unberechenbareres und Bedrohlicheres als Krieg schien ihm kaum denkbar.
    Hast du mir diesen Weg bestimmt, Vater? Ist das die Prüfung, die du mir auferlegst?
    »Und welche Mission habe ich, Scylvendi?«
    »Ein Attentat auszuüben. Vatermord zu begehen.«
    »Und was meinst du wohl, über welch enorme Macht mein Vater – ein Dûnyain mit all meinen Fähigkeiten – nach dreißig Jahren in der menschlichen Gesellschaft verfügt?«
    Der Scylvendi wirkte überrascht. »Daran hatte ich nicht gedacht…«
    »Ich schon. Glaubst du, ich bräuchte dich nicht und hätte keine Verwendung für den großen Krieger Cnaiür von Skiötha? Für den Mann, der Pferden den Willen und Menschen das Leben nimmt? Für einen, der drei Gegner innerhalb dreier Herzschläge niedermetzeln kann und gegen meine Methoden gefeit ist, also auch gegen die meines Vaters? Egal, wer mein Vater ist, Scylvendi – er ist mächtig. Viel zu mächtig, als dass ein Einzelner ihn töten könnte.«
    Kellhus hörte Cnaiürs Herz in der Brust hämmern, erkannte in seinen Augen, welche Gedanken ihm durch den Kopf gingen, und spürte die Betäubung, die sich in seinen Gliedern ausbreitete. Seltsamerweise warf der Utemot Serwë, die vor Angst zu zittern begonnen hatte, einen kurzen, flehenden Blick zu.
    »Das sagst du, um mich zu täuschen«, murmelte Cnaiür. »Um mich in Sicherheit zu wiegen…«
    Da war der Wall aus Misstrauen wieder, der den Häuptling so hartnäckig umgab.
    Wer nicht hören will, muss fühlen.
    Kellhus zog sein Schwert und griff an.
    Der Scylvendi reagierte sofort, wenn auch hölzern – wie einer, dem ungläubiges Staunen die Reflexe trübt. Er parierte den ersten Streich problemlos, wich aber vor der Serie klirrender Attacken zurück, die nun folgte. Kellhus sah, dass Cnaiürs Zorn mit jedem Hieb

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