Schattenfall
verachtet wurde und dazu verdammt war, blaue Babys zur Welt zu bringen.
Ihr Bauch war flach, doch sie konnte das Kind darin spüren.
Erinnerungen an die brutale Zudringlichkeit des Scylvendi stürmten auf sie ein, und dennoch dachte sie: Dieses Kind ist von Kellhus. Es ist unser Baby.
Sie drehte um und ging den Weg zurück, den sie gekommen war.
Nach kurzer Zeit merkte Serwë, dass sie sich verlaufen hatte, und bekam einmal mehr schreckliche Angst. Durchs Blätterdach sah sie zur Sonne hoch, um zu erkennen, wo Norden war. Doch sie konnte sich nicht erinnern, aus welcher Richtung sie gekommen war.
Wo bist du?, dachte sie verzweifelt, war aber zu ängstlich, nach ihm zu rufen.
Kellhus… bitte finde mich…
Plötzlich drang ein Schrei durch den Wald. War das der Junge? Hatten sie ihn gefunden? Doch das war unmöglich, denn es war doch ein Mann gewesen, der geschrien hatte…
Was geht hier vor?
Dumpfer Hufschlag, der über einen flachen Hügelrücken zu ihr drang, flößte ihr neuen Mut ein.
Er kommt! Er hat gemerkt, dass ich mich verlaufen habe, und ein Pferd genommen, um mich besser…
Doch als die beiden Reiter auf dem Kamm auftauchten, bekam Serwë vor Angst eine Gänsehaut. Sie galoppierten den flachen Hang runter, wirbelten dabei Blätter und Humus auf und brachten ihre Pferde – kaum dass sie die junge Frau erblickt hatten – so erstaunt wie mühsam zum Stehen.
Serwë erkannte die beiden an ihrer Rüstung und ihren Insignien sofort als Unteroffiziere der Kidruhil, der Elitekavallerie der Kaiserlichen Armee. Auch zwei Söhne der Gaunum-Familie hatten zu dieser Einheit gehört.
Der Jüngere und Hübschere der beiden schien fast so ängstlich wie sie selbst und schlug über dem Hals seines Pferdes ein sonst nur bei alten Frauen übliches Zeichen zur Abwehr von Geistern. Der Ältere hingegen grinste wie ein gehässiger Trunkenbold. Er hatte tief in den Höhlen liegende Augen und eine sensenförmige Narbe, die ihm über Stirn und Schläfe lief und auch seine linke Wange unübersehbar gezeichnet hatte.
Die Kaiserliche Reiterei ist hier? Sind Kellhus und der Scylvendi etwa tot? Vor ihrem geistigen Auge sah sie den kleinen Jungen im Schutz dunkler Äste nach ihnen spähen. Hat er überlebt? Hat er die Kidruhil alarmiert …? Ist das meine Schuld?
Dieser Gedanke lahmte sie mehr als jede Furcht vor den Reitern. Panischer Schrecken ergriff sie, und ihr Kinn hob sich unwillentlich, als sei es ihrem Unterbewusstsein darum zu tun, den Soldaten, die ihre Schwerter noch gar nicht gezogen hatten, die Kehle gleichsam vorauseilend anzubieten. Tränen rannen ihr über die Wangen. Lauf!, dachte sie verzweifelt, vermochte sich aber nicht von der Stelle zu rühren.
»Die gehört zu den beiden anderen«, sagte der Mann mit der Narbe und kämpfte noch immer mit seinem schweißgebadeten Pferd.
»Woher willst du das wissen?«, gab der andere nervös zurück.
»Die gehört zu den beiden anderen. Solche Grazien streifen nicht allein im Wald herum. Sie gehört nicht zu uns und ist bestimmt keines Ziegenhirten Tochter. Schau sie dir doch mal richtig an!«
Aber der andere hatte schon die ganze Zeit geglotzt und ihre bloßen Beine, die unterm Hemd deutlich genug erkennbaren Konturen ihrer Brust und vor allem ihr Gesicht begafft, als fürchtete er, es würde verschwinden, wenn er auch nur kurz die Augen davon wendete. »Aber wir haben keine Zeit«, meinte er ohne rechte Überzeugungskraft.
»Quatsch«, stieß der andere hervor. »Für so eine Schönheit ist immer Zeit.« Er schwang sich mit seltsamer Anmut vom Pferd und musterte dabei seinen Kameraden, als würde er ihm eine bösartige Finte zutrauen. Mach einfach mit, schienen seine Augen zu sagen, dann wirst du schon sehen.
Unbegreiflich eingeschüchtert folgte der Jüngere dem Beispiel seines unerbittlichen Begleiters. Dabei gaffte er Serwë weiter an. Seine Augen wirkten irgendwie scheu und böse zugleich.
Die beiden nestelten an ihren Kettenhemden, wobei der mit der Narbe schon auf sie zukam, während der andere im Hintergrund bei den Pferden blieb und offenbar mit Erektionsproblemen zu kämpfen hatte. »Vielleicht«, rief er mit merkwürdig klingender Stimme, »sehe ich erst mal nur zu…«
Sie sind tot, dachte sie. Und ich habe sie auf dem Gewissen.
»Pass nur auf, wo du hinspritzt«, gab der andere lachend zurück, während ihm die blanke Lust böse im Gesicht stand.
Du verdienst es nicht besser.
Rücksichtslos direkt zog der Ältere seinen Dolch,
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