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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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anzukündigen, und wir wären verloren. Wir haben nur eine Chance: Wir müssen schneller sein als sie, kapiert?«
    »Sie hat’s kapiert, Häuptling«, antwortete Kellhus.
    Die Pferde am Zaum führend, flohen sie weiter. Jetzt ging der Dûnyain vor und fand unfehlbar jedes noch so kleine Stück offenes Gelände, so dass Serwë mitunter sehr schnell rennen musste. Mehrmals stolperte sie über Dinge, die sie im Dunkeln nicht gesehen hatte, und fiel hin, vermochte sich aber immer wieder aufzurappeln, ehe der Scylvendi sie rügen konnte. Sie war ständig außer Atem, ihre Lungen brannten, und immer wieder plagten sie Seitenstiche. Sie hatte blaue Flecke und war zerkratzt und so erschöpft, dass ihr die Beine zitterten, wann immer sie stehenblieb. Aber das kam ja ohnehin kaum in Frage – jedenfalls nicht, solange die Fackelkette in der Ferne drohte.
    Schließlich machte der Fluss eine Biegung und fiel in Kaskaden über eine Reihe von Felsstufen. Im Sternenlicht sah Serwë, dass ein großes Gewässer unter ihnen lag.
    »Der Phayus«, sagte Cnaiür. »Wir werden sehr bald reiten, Serwë.«
    Statt weiter dem Nebenfluss zu folgen, bogen sie nach rechts und verschwanden im Dunkel des Waldes. Anfangs konnte Serwë fast nichts erkennen und hatte das Gefühl, Geräuschen durch einen alptraumhaften Tunnel zu folgen, in dem die Finsternis mit sich selbst im Streit lag. Zweige brachen; Pferde wieherten; regelmäßig stampften Hufe. Doch allmählich ließ ein fahles Zwielicht Einzelheiten hervortreten – schlanke Stämme; totes Holz; das Mosaik des Laubs auf dem Waldboden. Sie merkte, dass der Scylvendi recht gehabt hatte: Der Wald wurde immer lichter.
    Als sich die Morgendämmerung am östlichen Horizont erahnen ließ, sagte Cnaiür vor dem noch erdigen Wurzelwerk eines umgestürzten Baums: »Jetzt reiten wir, und zwar im Galopp.«
    Wenigstens laufen musste Serwë nicht mehr, doch ihre Erleichterung währte nur kurz. Mit Cnaiür an der Spitze und Kellhus als Nachhut preschten sie durchs Unterholz. Je lichter der Wald wurde, desto niedriger setzten die Kronen der Bäume an und desto näher am Boden begann das Astwerk, bis sie schließlich den Eindruck hatte, unzählige Zweige und dünne Äste würden auf sie einpeitschen. Durch das dumpfe Stakkato der Hufe hörte sie das morgendliche Vogelzwitschern immer lauter werden.
    Im Galopp brachen sie aus dem aufdringlichen Unterholz und stürmten über Weiden und Wiesen. Serwë schrie und lachte laut auf, denn das plötzliche Jagen durch offenes Gelände versetzte sie in Hochstimmung. Die kalte Luft betäubte die brennenden Schmerzen im Gesicht, und der Fahrtwind strich ihr durchs Haar. Vor ihnen ging die Sonne rot auf und tauchte die tief violette Ferne in Orange und Anilinrot.
    Die Weiden gingen allmählich in Ackerland über, bis ringsum unreife Weizen-, Gerste- und Hirsefelder standen. Cnaiür, Kellhus und Serwë umgingen kleine Bauerndörfer und die großen Plantagen der hochadeligen Familien Nansurs. Als vertraglich ans Haus Gaunum gebundene Konkubine hatte Serwë in ähnlichen Landhäusern praktisch eingesperrt leben müssen, und als sie nun die weitläufigen Anlagen mit ihren Dächern aus roten Lehmziegeln und den wie Palisaden aufragenden Wacholderhecken sah, war sie beunruhigt darüber, dass einem etwas einst so Vertrautes derart bedrohlich und fremd werden konnte.
    Sklaven blickten von der Feldarbeit auf und sahen sie über staubige Seitenwege galoppieren. Fuhrleute schimpften auf die Vorbeidonnernden ein. Frauen warfen ihre Lasten ab und rissen erstaunte Kinder aus der Gefahrenzone. Serwë fragte sich mit vor Erschöpfung nicht mehr ganz klarem Kopf, was diese Leute denken und wen sie in den wilden Reitern sehen mochten.
    Waghalsige Flüchtlinge, entschied sie schließlich: einen Mann, dessen harte Miene sie an die schrecklichen Scylvendi erinnerte; einen zweiten Mann, dessen blaue Augen sie mit nur einem raschen Blick bis ins Tiefste auszuloten vermochten; und eine schöne Frau mit langen, blonden und sehr derangierten Haaren – eine Frau, von der die Leute glauben würden, die beiden Männer wollten sie ihren Verfolgern vorenthalten, von denen zum Glück noch nichts zu sehen war.
    Am späten Nachmittag trieben sie ihre völlig verschwitzten Pferde auf den Kamm eines steinigen Höhenzugs, wo ihnen der Scylvendi endlich wenigstens eine kurze Rast zugestand. Serwë wäre beinahe aus dem Sattel gekippt. Kaum abgestiegen, ließ sie sich ins Gras fallen und streckte alle viere von

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