Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
Vom Netzwerk:
spürte ein Seil an ihren Handgelenken scheuern. Sie war gefesselt! An den Rücken eines Mannes. An Kellhus.
    Was war hier los?
    Als sie den Kopf hob, war ihr, als stocherte jemand mit dem Messer hinter ihren Augen herum. Säulenreihen ohne Architrave jagten vorbei, dann die ausgefransten Mauerreste eines für andere Bauvorhaben ausgeschlachteten Gebäudes. Das waren offenbar irgendwelche Ruinen, und dahinter lagen die dunklen Alleen eines Olivenhains. Eines Olivenhains? Waren sie schon so weit gekommen?
    Sie blickte zurück und merkte überrascht, dass sie keine Pferde mehr im Schlepp hatten. Dann sah sie durch dünne Staubschleier einen großen Trupp Reiter den Mittelgrund verdunkeln: Kidruhil, die mit harten Mienen auf ihren Pferden saßen, ganz auf die Jagd konzentriert waren und Langschwerter schwenkten, die in der Sonne blitzten.
    Kellhus riss sein Pferd herum und galoppierte mitten durch die Tempelruine.
    Serwë spürte Schwindel und Schwerelosigkeit und prallte dann gegen den Rücken des Dunyain. Jetzt preschte das Pferd über einen steilen Hang aufwärts. Sie sah die Reste einer Kalksteinmauer auftauchen.
    »Mist!«, hörte sie den Scylvendi rufen, dann: »Kellhus! Siehst du sie?«
    Der Dûnyain sagte nichts, sondern machte einen Buckel, reckte den rechten Arm hoch und riss dabei sein Pferd herum. Sie sah sein bärtiges Profil, als er nach links blickte.
    »Was sind das für welche?«, rief er.
    Und Serwë sah noch eine Woge Reiter, die den Hang runter auf sie zugeprescht kamen. Das Pferd von Kellhus trug sie seitlich den Hügel hoch und wirbelte Kies und Staub auf.
    Sie drehte sich nach den Kidruhil in ihrem Rücken um und sah sie die Ruinen in gestaffelter Formation überwinden. Dann kamen drei Reiter aus einer Baumgruppe galoppiert, die ihnen offenbar den Weg zum Hügelkamm abschneiden wollten.
    »Kellllhuuss!«, schrie sie und zerrte an ihren Fesseln, um auf sich aufmerksam zu machen.
    »Ruhig, Serwë! Ganz ruhig!«
    Einer der drei Kidruhil stürzte – die Hände um den Pfeil geklammert, der ihm in der Brust steckte – vom Pferd. Den hat der Scylvendi abgeschossen, dachte das Mädchen und erinnerte sich, wie er das Reh getötet hatte. Doch die beiden anderen preschten ohne Zögern an ihrem Kameraden vorbei auf sie zu.
    Der zweite Angreifer kam parallel zu ihnen geritten und hob seinen Speer. Die Steigung ging jetzt in eine Hochebene über, und die Pferde wurden schneller. Der Kidruhil warf seine Waffe vor einer gesprenkelten Kulisse von Äckern und Wiesen.
    Serwë zuckte zusammen.
    Doch Kellhus streckte nur die Hand aus und pflückte den Speer aus der Luft wie andere Pflaumen vom Baum. In einer fließenden Bewegung drehte er ihn um, schleuderte ihn zurück und traf den perplexen Angreifer ins Gesicht. Einen grausigen Moment lang sah Serwë den Mann im Sattel schwanken und dann aus vollem Galopp auf den Boden krachen.
    Der Dritte nahm sofort seinen Platz ein, kam ihnen noch näher, als wollte er sie rammen, und hatte sein Langschwert gezückt. Einen Moment lang sah Serwë ihm in die Augen, die im Kontrast zu seiner staubigen Miene besonders hell strahlten und mörderische Entschlossenheit von wahnhafter Intensität bezeugten. Er fletschte die zusammengebissenen Zähne, holte aus…
    Der Hieb des Dunyain durchfuhr ihn wie der Schlag eines Katapults und ließ sein Schwert in hohem Bogen durch die Luft fliegen. Dabei sah der Kidruhil an sich herunter: Innereien, Blut und Urin strömten ihm über Sattelknopf und Oberschenkel. Sein Pferd scheute zur Seite und blieb stehen.
    Kaum galoppierten sie den Höhenzug auf der anderen Seite des Kamms wieder herunter, mussten sie feststellen, dass sie auf einen Abgrund zuritten.
    Ihr Pferd wieherte und kam auf dem steinigen Boden mühsam hinter Cnaiürs Tier zum Stehen. Direkt vor ihnen fiel ein Steilhang ab, der fast dreimal höher war als die Bäume, die dicht an dicht an seinem Fuß wuchsen. Zwar ging es nicht senkrecht abwärts, doch für die Pferde war es viel zu steil. Bis zum dunstigen Horizont erstreckte sich ein Nebeneinander aus Feldern und dunklen Wäldchen.
    »Den Abgrund entlang«, stieß der Scylvendi hervor, riss sein Pferd herum, hielt aber inne, als das Tier des Dûnyain erneut wieherte. Ehe Serwë begriffen hatte, was geschah, waren ihre Fesseln durchtrennt und Kellhus abgesprungen. Er hob sie aus dem Sattel und stützte sie, damit sie nicht umknickte. »Besser, wir rutschen runter, Serwë. Schaffst du das?«
    Sie fürchtete, sich zu erbrechen. »Ich

Weitere Kostenlose Bücher