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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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sich. Ihr klangen die Ohren, und sie hatte das Gefühl, der Boden drehe sich langsam unter ihr. Eine Zeitlang konnte sie nur ein- und ausatmen. Dann hörte sie den Scylvendi fluchen.
    »Diese zähen Mistkerle«, stieß er hervor. »Ihr Anführer muss wirklich schlau und hartnäckig sein.«
    »Was sollen wir tun?«, wollte Kellhus wissen, und diese Frage enttäuschte sie irgendwie.
    Das weißt du doch. Du weißt es doch immer. Warum biederst du dich ihm an?
    Sie rappelte sich auf, wunderte sich, wie schnell ihre Glieder das butterweiche Zittern abgelegt hatten, und folgte dem zum Horizont gerichteten Blick der beiden. Unter der rosafarbenen Sonne sah sie einen kleinen Staubschleier Richtung Fluss treiben, aber sonst kaum etwas.
    »Wie viele sind das?«, fragte Cnaiür den Dunyain.
    »Genauso viele wie zuvor – achtundsechzig. Allerdings haben sie inzwischen neue Pferde.«
    »Neue Pferde«, wiederholte der Utemot trocken, als wäre er gleichermaßen über die Bedeutung dieser Nachricht empört wie darüber, dass Kellhus zu solchen Beobachtungen fähig war. »Die müssen sie unterwegs irgendwo requiriert haben.«
    »Hast du das vorher nicht bedacht?«
    »Achtundsechzig«, sagte Cnaiür, ohne auf die Frage einzugehen. »Das sind zu viele, was?«, wollte er wissen und musterte Kellhus scharf.
    »Das sind zu viele.«
    »Auch wenn wir nachts angreifen?«
    Kellhus nickte, und seine Augen sahen dabei seltsam ins Leere. »Vielleicht könnten wir’s riskieren«, ergänzte er schließlich, »aber nur, wenn wir alle Alternativen ausgeschöpft haben.«
    »Was für Alternativen?«, fragte Cnaiür. »Was… sollen wir tun?«
    Serwë entdeckte eine seltsame Angst in seiner Miene. Warum beunruhigt ihn das so? Begreift er denn nicht, dass es uns bestimmt ist, verfolgt zu werden?
    »Unser Vorsprung ist größer geworden«, sagte Kellhus entschieden. »Wir reiten weiter.«
    Mit dem Dûnyain vorneweg ging es auf der anderen Seite des Höhenzugs in Serpentinen hinunter, wobei sie schneller wurden, je tiefer sie kamen. Sie trieben eine kleine Schafherde auseinander und verlangten ihren hart geprüften Pferden bald mehr ab als je zuvor.
    Als sie wieder über Weiden galoppierten, spürte Serwë den Schmerz aus ihren zitternden Gliedern schwinden. Sie waren so schnell geritten, dass sie nun sogar wieder aus dem länger werdenden Schatten des vorhin überquerten Höhenzugs kamen. Die Abendsonne wärmte Serwë den Rücken. Sie trieb ihr Pferd zu noch größerer Eile an, zog mit Kellhus gleich und warf ihm ein wildes Grinsen zu. Er brachte sie mit einem lustigen Gesicht zum Lachen, denn er blickte, als hätte ihre Kühnheit ihn schockiert, und zog die Brauen dabei empört und entrüstet zusammen. Den Scylvendi im Rücken, galoppierten sie Seite an Seite dahin und lachten über ihre glücklosen Verfolger, bis es zu dämmern begann und die Felder ringsum ihre Farben verloren und grau wurden. Selbst die Sonne haben wir abgehängt, dachte Serwë.
    Plötzlich stockte ihr Pferd – ihr Lohn für das Töten des Narbengesichts – in vollem Lauf und warf mit einem schrillen Wiehern den Kopf zurück. Sie glaubte fast zu spüren, wie dem Tier das Herz im Leib platzte, prallte mit voller Wucht auf den Boden und bekam Gras und Dreck in den Mund. Dem folgte hämmernde Stille.
    Dann hörte sie Hufe näherkommen.
    »Lass sie liegen!«, hörte sie den Scylvendi brüllen. »Sie sind hinter uns her, nicht hinter ihr. Für die ist sie nur hübsches Diebesgut.«
    »Auf keinen Fall.«
    »So kenn ich dich gar nicht, Dunyain… Absolut nicht.«
    »Vielleicht…«, hörte sie Kellhus sagen. Seine Stimme war sehr nah. Er nahm ihr Gesicht in seine Hände.
    Kellhus… Keine blauen Babys.
    Keine blauen Babys, Serwë. Unser Kind wird rosa und quicklebendig sein.
    »… aber bei uns ist sie sicherer.«
    Dann wurde sie ohnmächtig und träumte von einem großen, schattenhaften Wettlauf durchs Land der Heiden.
     
     
    Mitten im Dämmern plötzlich die Frage: Wo ist das Messer?
    Als Serwë erwachte, rang sie nach Atem. Alles hastete stoßweise unter ihr dahin. Haare flatterten ihr ins Gesicht und fegten ihr durch die Augen. Sie roch Erbrochenes.
    »Hier lang!«, hörte sie Cnaiür ungeduldig, ja dringlich über donnernde Hufe hinweg schreien. »Den Hügel da hoch!«
    Der muskulöse Rücken und die kräftigen Schultern eines Mannes rieben ihr an Brust und Wange. Ihre Arme waren unglaublich fest um seinen Leib geschlungen, und ihre Hände… Die fühlte sie nicht! Aber sie

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