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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Trophäen – ähnlich wie die Sranc-Schrumpfköpfe, die sich die Thunyeri an den Schild nähen. Den Scylvendi hingegen bedeuten sie viel mehr. Die Tötungen sind ihr einziger Daseinszweck. Diesen Narben ist die eigentliche Bedeutung ihres Lebens eingeschrieben… Versteht ihr das?«
    Er sah in die Gesichter der versammelten Inrithi und war zufrieden, dass ihre Mienen besorgt waren. Es war eine Sache, einen Heiden in ihre Mitte zu lassen, und eine ganz andere, Einzelheiten seiner Schlechtigkeit aufgezählt zu bekommen.
    »Was der Wilde vorhin gesagt hat, stimmt nicht«, fuhr Conphas fort. »Dieser Mann ist kein ›Nichts‹, sondern sehr viel mehr: ein Zeichen ihrer Demütigung – der Demütigung aller Scylvendi.« Er musterte Xunnurits regloses Gesicht, zumal die eingesunkenen, tränenden Augenhöhlen. Dann sah er Cnaiür an, der neben Proyas stand.
    »Schaut ihn euch an«, sagte er ungerührt. »Schaut euch den Mann an, den ihr zu eurem General machen wollt. Meint ihr nicht, er dürstet nach Rache? Denkt ihr nicht, er ringt auch jetzt darum, seinen Zorn zu unterdrücken? Seid ihr so naiv zu glauben, er plane etwas anderes als unsere Vernichtung? Meint ihr, durch seine Seele geistern keine Wunschträume wie durch jede andere auch? Doch seine Fantasien zeigen ihn als großen Rächer, der unseren restlosen Untergang herbeiführt.«
    Conphas sah Proyas an.
    »Fragt ihn, Proyas. Fragt ihn, was ihn antreibt.«
    Es entstand eine Pause, in der das Gemurmel der Adligen mal auf-, mal abschwoll. Kellhus konzentrierte sich auf die rätselhafte Miene des Obersten Beraters, der direkt hinter dem Kaiser Stellung bezogen hatte, so dass sein Kopf über dem des Xerius zu schweben schien.
    Als Junge waren Gesichtszüge für Kellhus gewesen, was sie für jedes Weltkind sind – etwas, das man intuitiv zu dechiffrieren lernt. Inzwischen aber vermochte er die unterschiedlichsten psychischen Kräfte genau zu erkennen, die die Veränderungen der Miene bewirken, und konnte darum den Charakter und die Absichten jedes Menschen durchschauen und Gedankengänge mit erschreckender Genauigkeit vorhersagen.
    Dieser Skeaös aber stellte ihn vor ein Rätsel. Während Kellhus andere mühelos durchschaute, sah er im Gesicht des alten Mannes nur eine Art Mimikry – ein Mienenspiel, das zwar natürlich wirkte, tatsächlich aber keine Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit und sein Denken zuließ. Die feine Muskulatur, die seine Züge schuf, schien mit anderen Sehnen und Knochen verbunden zu sein als bei den übrigen Menschen.
    Diese Miene entsprach absolut nicht dem, was der Dunyain vorzufinden gewohnt war, und es sah sehr danach aus, als sei sein Gesicht gar keines.
    Augenblicke vergingen, und die Unstimmigkeiten häuften sich. Kellhus klassifizierte sie und spielte auf der Grundlage aller Einzelheiten verschiedene Alternativen durch…
    Schließlich landete er bei Gliedern. Bei schlanken Gliedern, die so lange gefaltet und gestaucht worden waren, bis sie das Scheinbild eines Gesichts ergaben.
    Kellhus blinzelte, und seine Sinne wandten sich wieder normalen Dingen zu. Wie hatte das Gesicht von Skeaös entstehen können? Durch Hexerei? Wenn ja, dann besaß sie nichts von der merkwürdigen Verzerrung, die er vor langer Zeit bei den von ihm bekämpften Nichtmenschen erlebt hatte. Kellhus hatte erkannt, dass Hexerei etwas unerklärlich Groteskes war – wie das Gekritzel eines Kindes auf einem Kunstwerk –, doch er wusste nicht, warum. Er wusste nur, dass er Hexer von normalen Leuten und Hexerei von allen übrigen Phänomenen unterscheiden konnte. Das war eines der vielen Rätsel, die ihn dazu gebracht hatten, Drusas Achamian genau zu beobachten.
    Das Gesicht von Skeaös hatte nichts mit Hexerei zu tun – dessen war er sich ziemlich sicher. Was aber hatte es dann damit auf sich?
    Wer oder was ist dieser Mann?
    Unvermittelt erwiderte Skeaös seinen Blick. Seine gefurchten Brauen ballten sich zu einem falschen Runzeln.
    Kellhus nickte in der freundlichen und verlegenen Weise eines Menschen, den sein Studienobjekt beim Mustern erwischt hat. Doch aus dem Augenwinkel sah er, dass der Kaiser ihn beunruhigt ansah und herumfuhr, um seinen Berater forschend anzuschauen.
    Kellhus begriff, dass es Ikurei Xerius nie aufgefallen war, dass sich das Gesicht seines Beraters so irritierend von dem aller Übrigen unterschied. Keinem der hier Versammelten war das aufgefallen.
    Ich vertiefe meine Untersuchung, Vater. Ich dringe ständig weiter in die Materie ein.
    »Als

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