Schattenfall
gibt keine Scylvendi-Söldner. Jedenfalls hab ich davon nie gehört.«
»Ich verkaufe mich ja auch nicht, wenn du das meinst. Wir Scylvendi verkaufen nichts. Wir nehmen uns, was wir brauchen.«
»Ja – nehmen will er uns«, warf Conphas ein.
»Lasst den Mann ausreden!«, rief Gothyelk, der allmählich die Geduld verlor.
»Nach der Schlacht am Kiyuth«, fuhr Cnaiür fort, »waren die Utemot am Ende. Die Steppe ist anders als ihr denkt. Die Scylvendi führen ständig Krieg – wenn wir nicht gegen die Sranc, die Nansur oder die Kianene ziehen, bekämpfen wir uns gegenseitig. So sind es unsere Nachbarstämme gewesen, die unsere Weidegründe überrannt, unsere Herden abgeschlachtet, unsere Lager angezündet haben. Und so bin ich zu einem Häuptling geworden, dem außer seinem Titel nichts geblieben ist.«
Cnaiür ließ den Blick über die gespannten Gesichter ringsum schweifen. Die richtige Geschichte zur richtigen Zeit nötigte den Zuhörern – wie Kellhus sehr wohl wusste – immer Respekt ab.
»Von diesem Mann«, fuhr der Utemot fort und wies auf Kellhus, »habe ich gelernt, dass Landfremde ehrbare Leute sein können. Als Sklave hat er an unserer Seite gegen die Kuöti gekämpft. Durch ihn, durch seine von Gott gesandten Träume habe ich von eurem Krieg erfahren. Ich habe keinen Stamm mehr – darum habe ich seine Wette angenommen.«
Kellhus merkte, dass nun viele Blicke auf ihn gerichtet waren. Sollte er sich schon jetzt einmischen oder den Scylvendi fortfahren lassen?
»Seine Wette?«, fragte Gotian verblüfft und zugleich ein wenig ehrfürchtig.
»Dass dieser Krieg anders als alle übrigen sei. Dass er eine Offenbarung würde…«
»Verstehe«, antwortete Gotian, und in seinen Augen strahlte plötzlich ein zuvor scheinbar fast vergessener Glaube.
»Wirklich?«, fragte Cnaiür. »Das bezweifle ich. Ich bleibe ein Scylvendi.« Der Steppenkrieger sah Proyas an und musterte dann die illustre Versammlung. »Versteht mich nicht falsch, Inrithi. Was das anlangt, hat Conphas Recht. In meinen Augen seid ihr allesamt volltrunken. Ihr seid Jungs, die Krieg spielen wollen und besser daran täten, wieder bei Muttern unterzukriechen. Vom Krieg habt ihr keine Ahnung. Krieg ist dunkel. Pechschwarz. Er ist kein Gott. Er weint oder lacht nicht. Er belohnt weder Geschick noch Wagemut. Er ist keine Seelenprüfung, kein Messen der Willenskräfte. Und noch weniger ist er ein Werkzeug zu wer weiß welchem Zweck. Er ist einfach nur die Situation, in der die eisernen Knochen, die der Mensch sich aus Bodenschätzen geschmiedet hat, auf seine hohlen Knochen treffen und sie zerbrechen.
Ihr habt mir Krieg angeboten, und ich habe euer Angebot angenommen. Mehr nicht. Eure Verluste werden mir nicht leid tun. Ich werde mein Haupt nicht vor den Scheiterhaufen eurer Gefallenen beugen und mich auch nicht an euren Erfolgen freuen. Aber ich habe die Wette angenommen, werde mit euch leiden, werde Krieger der Fanim niedermetzeln und ihren Frauen und Kindern alsdann das Blutbad zeigen. Und im Schlaf werde ich von ihren Wehklagen träumen und von Herzen froh sein.«
Diesen Worten folgte ein Moment fassungslosen Schweigens. Dann sagte Gothyelk, der alte Graf von Agansanor: »Ich habe viele Feldzüge mitgemacht, und meine Knochen sind alt, doch sie tragen mich noch. Ich habe gelernt, denen zu trauen, die offen hassen, und nur die zu fürchten, die ihren Hass klammheimlich hegen. Ich bin mit der Antwort dieses Kriegers zufrieden – auch wenn sie mir nicht gefällt.« Er wandte sich an Conphas, und Misstrauen hatte seine Augen schmal werden lassen. »Es ist traurig, wenn ein Heide uns Ehrlichkeit lehren muss.«
Nur langsam pflichteten andere seiner Zustimmung bei.
»Die Worte des Heiden enthalten manche Weisheit«, rief Saubon in die ausbrechende Unruhe. »Wir täten gut daran, ihm zuzuhören!«
Doch Gotian blieb beunruhigt. Im Gegensatz zu den meisten anderen war er ein Nansur, und Kellhus sah, dass er viele Fehleinschätzungen des Kaisers und des Oberbefehlshabers teilte. Nachrichten über von Scylvendi begangene Gräueltaten waren für die Nansur an der Tagesordnung.
Völlig überraschend suchte der Hochmeister durchs Getümmel hindurch den Blick des Dunyain. Kellhus sah, dass Gotian Katastrophen vor Augen standen, die um einen aufgeriebenen Heiligen Krieg kreisten – Szenarien, an deren Entwicklung er, Gotian, die Schuld trüge, weil er im Namen Maithanets eine Entscheidung getroffen hatte.
»Ich habe von diesem Krieg geträumt«,
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