Schattenfall
diesem abscheulichen Kerl in die Hände fallen. Und ich will euch vor eurer Torheit retten. Die Scylvendi sind ein Gräuel!«
»So wie die Scharlachspitzen!«, erwiderte Saubon scharf und ging dabei auf Conphas zu. »Wollt Ihr, dass wir die auch rauswerfen?«
»Das ist etwas anderes«, fuhr Conphas ihn an. »Die Männer des Stoßzahns brauchen die Scharlachspitzen… Ohne sie würden die Cishaurim uns vernichten.«
Saubon hielt ein paar Schritte vor dem Oberbefehlshaber. Er wirkte schmal und musterte sein Gegenüber anzüglich. »Auch diesen Scylvendi brauchen die Inrithi. Das habt Ihr uns doch gerade vermittelt. Wir müssen auf dem Schlachtfeld vor unserer Torheit bewahrt werden.«
»Calmemunis und Euer Landsmann Tharschilka haben Euch das vermittelt, mein Herr – durch ihren Tod auf den Ebenen von Mengedda.«
»Calmemunis«, rief Saubon verächtlich. »Tharschilka… Pack, das mit Pack marschiert ist.«
»Sagt, Conphas«, erkundigte sich Proyas, »habt Ihr eigentlich nicht gewusst, dass Calmemunis schon im Vorhinein verdammt war? Wenn doch – warum hat der Kaiser ihn dann mit Vorräten versorgt?«
»Nichts davon tut hier zur Sache!«, rief Conphas.
Er lügt, begriff Kellhus. Sie haben gewusst, dass der Gemeine Heilige Krieg untergehen würde. Sie haben seine Vernichtung gewollt … Plötzlich merkte er, dass das Ergebnis dieser Debatte für seine Mission von größter Bedeutung war. Die beiden Ikurei hatten ein ganzes Heer geopfert, um ihren Anspruch auf den Heiligen Krieg zu stärken. Welche Katastrophe würden sie wohl aus dem Hut zaubern, wenn dieser Feldzug ihnen lästig wurde?
»Die Frage ist doch«, fuhr Conphas aufgebracht fort, »ob ihr einem Scylvendi trauen könnt, euch gegen die Kianene in die Schlacht zu führen!«
»Darum geht’s doch gar nicht«, entgegnete Proyas. »Sondern darum, ob wir einem Scylvendi mehr trauen können als Euch.«
»Das steht ja wohl völlig außer Frage!«, rief Conphas beinahe flehend. »Einem Scylvendi mehr zu trauen als mir…«, tönte er und lachte aufgekratzt. »Das ist doch glatter Wahnsinn!«
»Mag sein, aber es ist Euer Wahnsinn, Conphas«, sagte Saubon gepresst. »Und der Eures Onkels… Ohne eure schrägen Prophezeiungen eines Verhängnisses und ohne euren blöden Vertrag wäre nichts von alledem überhaupt Thema!«
»Aber es ist unser Land, das ihr erobern wollt! Unsere Vorfahren haben dort gelebt und gewirtschaftet, haben dort Kinder großgezogen und sind dort gestorben – und da wollt ihr uns unseren Anspruch missgönnen?«
»Das Land gehört nicht Euch, sondern Gott, Ikurei«, sagte Proyas scharf. »Es ist die Heimat des Letzten Propheten. Oder wollt Ihr die erbärmlichen Annalen der Nansur über den Traktat unseres Herrn Inri Sejenus setzen?«
Conphas schwieg einen Augenblick und dachte über diese Worte nach. Kellhus begriff, dass man sich mit Nersei Proyas nicht leichthin auf einen Wettkampf in puncto Frömmigkeit einließ.
»Wer seid Ihr eigentlich, Proyas, dass Ihr diese Frage aufwerft?«, entgegnete Conphas nun und gewann seine alte Ruhe zurück. »Soll ich’s Euch sagen? Ihr seid einer, der einen Heiden – und ausgerechnet einen Scylvendil – über Sejenus stellt.«
»Wir alle sind Werkzeuge der Götter, Ikurei. Sogar ein Heide – und ausgerechnet ein Scylvendi! – kann ein Werkzeug sein, wenn Gott es will.«
»Sollen wir also alle mal raten, was Gottes Wille sein mag, Proyas?«
»Das, Ikurei, ist Maithanets Aufgabe.« Proyas wandte sich an Gotian, der die beiden die ganze Zeit scharf beobachtet hatte. »Also – was sagt Maithanet, Gotian? Berichtet es uns. Was sagt der Tempelvorsteher?«
Die Hände des Hochmeisters umklammerten das Kästchen aus Elfenbein. Er hielt – wie alle wussten – die Antwort in den angespannten Händen. Seine Miene war unschlüssig. Er bleibt unentschieden. Er verachtet den Kaiser und misstraut ihm, fürchtet aber, dass die von Proyas vertretene Lösung zu radikal ist. Kellhus begriff, dass er sehr bald einzuschreiten gezwungen wäre.
»Ich möchte den Scylvendi fragen«, sagte Gotian und räusperte sich, »warum er gekommen ist.«
Cnaiür musterte den Tempelritter und den mit Goldfaden auf sein weißes Gewand gestickten Stoßzahn. Du hast die Worte in dir, Scylvendi. Sprich sie aus.
»Ich bin gekommen«, sagte Cnaiür schließlich, »weil Krieg eine lukrative Sache ist.«
»Aber das machen Scylvendi nicht«, gab Gotian zurück. In seiner Stimme hielten sich Argwohn und Hoffnung die Waage. »Es
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