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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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lächelte.
    Als der Strom versiegt war, gab Xinemus seinem Nachbarn einen Klaps auf den Rücken und meinte: »Jetzt haben wir Platz für neue Heldentaten.«
    Kellhus nickte lachend, und Esmenet begriff, dass gerade eine Männerfreundschaft geschlossen worden war.
    Sie hielt den Atem an, als die beiden denselben Weg zurück nahmen, und hatte das Gefühl, der Prinz von Atrithau sähe sie direkt an.
    Aber wenn er etwas entdeckt haben sollte, verriet er es nicht, und die beiden Männer gesellten sich wieder zu den anderen am Feuer.
    Esmenets Herz raste, und sie machte sich jede Menge Vorwürfe, als sie um das große Zelt des Marschalls herum zu einem Beobachtungspunkt kroch, an dem sie nicht befürchten musste, von pinkelnden Männern entdeckt zu werden. Sie lehnte sich an einen Baumstumpf, legte den Kopf auf die Schulter, schloss die Augen und ließ sich von den Stimmen, die vom nahen Feuer zu ihr drangen, davontragen.
    »Da hast du mir vielleicht einen Schreck eingejagt, Scylvendi. Ich hatte fest geglaubt…«
    »Du heißt Serwë, stimmt’s? Hätte ich doch gewusst, dass dieser schöne Name…«
    Das scheinen anständige Leute zu sein, dachte Esmenet. Die Art Menschen, die Akka als Freunde wertschätzt.
    Allein in der Dunkelheit fühlte sie sich plötzlich sicher – so wie mit Sarcellus. Das waren Achamians Freunde, und obwohl sie von ihr nichts wussten, würden sie sie schon beschützen. Sie fühlte sich schläfrig. Die Stimmen plätscherten und murmelten dahin und wirkten ehrlich und guten Mutes. Nur ein Nickerchen, dachte sie. Dann hörte sie jemanden Akkas Namen nennen.
    »… Conphas persönlich hat Achamian abgeholt? Conphas?«
    »Und das alles andere als freiwillig, der Mistkerl.«
    »Aber wofür braucht der Kaiser Achamian denn?«
    »Das klingt, als wärst du um ihn besorgt.«
    »Um wen? Um den Kaiser oder um Achamian?«
    Doch dieser Gesprächsfetzen ging in den vielen anderen Stimmen unter. Esmenet spürte, wie der Schlaf sie überkam.
    Sie träumte, der Stumpf, an den sie lehnte, wäre in Wirklichkeit ein Baum, aber abgestorben – ohne Blätter, Zweige, Rinde und Äste; der Stamm schien eine Art Phallus zu sein, aus dem ein Kranz langer Glieder wuchs, die sich wanden und wie Ruten durch den Wind zischten. Sie träumte, sie könnte nicht aufwachen, und die Wurzeln hätten sie irgendwie an die erstickende Erde gebannt.
    Esmi …
    Sie bewegte sich… und spürte ein Kitzeln an der Wange.
    »Esmi.«
    Eine freundliche Stimme. Vertraut.
    »Esmi, was machst du denn?«
    Blinzelnd schlug sie die Augen auf. Einen Moment lang war sie zu entsetzt, um zu schreien.
    Dann hatte er ihr die Hand schon auf den Mund gelegt.
    »Schhhh«, mahnte Sarcellus und fügte hinzu: »Könnte sein, dass du sonst ein wenig in Erklärungsnot gerätst.« Dabei nickte er zum Lagerfeuer von Xinemus hinüber.
    Oder zu dem, was davon übriggeblieben war. Nur ein paar kleine Flammen waren noch zu sehen. Bis auf eine einzelne Gestalt, die eingerollt auf einer Matte am Feuer lag, waren alle verschwunden. Die Welt ringsum schien wie unter einem Sargtuch zu liegen – kühl und öde wie der Nachthimmel.
    Sie atmete tief durch die Nase ein. Sarcellus nahm seine Hand weg und zog Esmenet auf die Beine, um sie hinter das Zelt des Marschalls zu führen, in dem kein Licht brannte.
    »Du bist mir gefolgt?«, fragte sie und entzog ihren Unterarm seinem Griff. Noch war sie zu verwirrt, um verärgert zu sein.
    »Als ich aufwachte, warst du verschwunden. Ich wusste, dass ich dich hier finden würde.«
    Sie schluckte. Ihre Hände fühlten sich leicht an, als würden sie sich ohne ihr Zutun darauf vorbereiten, ihr Gesicht zu schützen. »Ich geh nicht mit dir zurück, Sarcellus.«
    Etwas, das Esmenet nicht entziffern konnte, blitzte in seinen Augen auf. Triumph etwa? Dann zuckte er die Achseln. Die Selbstverständlichkeit dieser Geste ließ sie erschrecken.
    »Gut«, sagte er geistesabwesend. »Ich hab von dir ohnehin die Nase voll, Esmi.«
    Sie musterte ihn und begann zu weinen. Nur warum? Sie liebte ihn doch gar nicht… oder?
    Aber er hatte sie geliebt. Dessen war sie sich gewiss… oder nicht?
    Er wies mit dem Kopf auf das verlassene Lager. »Geh zu ihm. Mir ist das von nun an egal.«
    Sie spürte eine würgende Verzweiflung in der Kehle. Was mochte geschehen sein? Vielleicht hatte Gotian ihm nun doch noch befohlen, sie rauszuwerfen. Sarcellus hatte ihr mal erzählt, einem Kommandierenden Tempelritter würden Genüsse wie sie selten verwehrt. Aber sicher

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