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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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glorreiche Aufgabe der Tempelvorsteher ihnen auferlegt habe. Die Frauen weinten dann (still und heimlich, denn Glaube macht stark), weil sie wussten, dass ihre Gatten sie sehr bald verlassen würden.
    Shimeh. Die Leute knirschten mit den Zähnen, wenn sie an diesen heiligen Namen dachten. Und es schien ihnen, als müsse es sich dabei um eine stille Stadt handeln, die qualvolle Jahrhunderte lang den Atem angehalten und gewartet hatte, dass die Anhänger des Letzten Propheten endlich aus dem Schlummer schraken und ein altes, abscheuliches Verbrechen sühnten. Mit Schwertern und Messern würden sie anrücken und die heilige Stätte reinigen. Und wenn die Fanim erst tot wären, würden die Befreier hinknien und den herrlichen Boden küssen, der den Letzten Propheten hervorgebracht hatte.
    Sie würden mit in den Heiligen Krieg ziehen.
    Die Tausend Tempel gaben Verordnungen heraus, wonach jeder, der versuchen sollte, aus der Abwesenheit eines Herrn, der dem Ruf des Stoßzahns gefolgt und in den Krieg gezogen war, Profit zu schlagen, vor den Kirchengerichten der Ketzerei angeklagt und ohne viel Federlesens hingerichtet würde. Nachdem den Prinzen, Fürsten, Statthaltern und großen Herren aller Nationen so ihre Geburtsrechte garantiert worden waren, erklärten sie sich feierlich zu Gefolgsleuten des Stoßzahns. Ordinäre Kriege um Macht und Reichtum waren vergessen. Ländereien wurden mit Hypotheken belastet. Lehnsherren riefen ihre zum Vasallendienst verpflichteten Ritter zusammen. Gefolgsleute, die noch in der Ausbildung waren, bekamen Waffen in die Hand gedrückt und wurden in behelfsmäßig errichtete Kasernen gesteckt. Ganze Flotten wurden für die Seereise nach Momemn gechartert, dorthin also, wo sich die Kämpfer des Heiligen Krieges auf Geheiß des Tempelvorstehers versammeln sollten.
    Maithanet hatte gerufen, und das gesamte Gebiet der Drei Meere hatte geantwortet. Man würde den Heiden das Genick brechen und das heilige Shimeh wieder in alter Reinheit erstrahlen lassen.
     
     
    SUMNA IM FRÜHLING 4110
     
    Stets dachte Esmenet zumindest unterschwellig an ihre Tochter. Es war seltsam, dass jede Kleinigkeit Erinnerungen an sie heraufbeschwören konnte. Diesmal war es Achamian und seine merkwürdige Angewohnheit, an jeder Backpflaume zu schnüffeln, bevor er sie in den Mund schob.
    Einmal hatte ihre Tochter auf dem Markt an einem Apfel gerochen. Esmenet hatte nur noch eine schwache, bleiche Erinnerung daran, als habe die schreckliche Tatsache ihres Todes diesem Bild alle Farbe und Intensität genommen. Ein bezauberndes kleines Mädchen war ihre Tochter gewesen, und mit ihrem glatten schwarzen Haar, ihrem pausbäckigen Gesicht und ihren unendlich hoffnungsvollen Augen hatte sie strahlend unter all den graumäusigen Passanten gestanden.
    »Mama, der riecht wie…«, hatte sie begonnen und dann gestockt, weil sie nicht wusste, zu welchem Vergleich sie greifen sollte, »… wie Wasser und Blumen zugleich.« Dabei hatte sie ihre Mutter triumphierend angelächelt.
    Esmenet hatte zum griesgrämigen Verkäufer hochgesehen, und der hatte mit einem Nicken auf die beiden ineinander verschlungenen Schlangen gewiesen, die auf ihren linken Handrücken tätowiert waren. Die Botschaft war deutlich: An Leute wie dich verkaufe ich nicht.
    »Komisch, meine Süße. Für mich riecht der Apfel zu teuer.«
    »Aber Mama…«, hatte ihr Schatz protestiert.
    Esmenet blinzelte Tränen aus den Augen. Achamian sagte gerade etwas zu ihr.
    »Ich finde das schwierig«, stellte er im Bekennerton fest.
    Ich hätte woanders einen Apfel kaufen sollen.
    Sie saßen auf niedrigen Hockern in Esmenets Zimmer am ramponierten kniehohen Tisch. Die Fensterläden waren geöffnet, und die frische Frühlingsluft schien die Geräusche zu verstärken, die von der Straße zu ihnen hochdrangen. Achamian hatte sich eine Wolldecke um die Schultern gelegt, Esmenet dagegen war es ganz zufrieden, ein wenig zu frösteln.
    Wie lange war Achamian jetzt bei ihr? Lange genug jedenfalls – vermutete sie –, damit sich zwischen ihnen ein solides Gefühl der Langeweile hatte einstellen können. Fast als wären sie verheiratet.
    Inzwischen hatte sie begriffen, dass ein Kundschafter wie Achamian, der Informanten warb und anleitete, die Zugang zu wirklich wichtigen Fakten hatten, den Großteil seiner Zeit einfach mit dem Warten darauf verbrachte, dass etwas geschah. Und Achamian hatte hier gewartet, in diesem ärmlichen Zimmer eines alten Mietshauses, in dem Dutzende von Huren

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