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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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ihn wirklich liebte.
    Sie führten eine seltsame Ehe, wenn man ihr Zusammenleben denn so nennen konnte. Die Ehe zweier Außenseiter, die auf wortlosen Versprechen beruhte. Ein Hexenmeister und eine Hure. Vielleicht musste man bei solchen Verbindungen mit einer gewissen Verzweiflung rechnen, als ob das seltsame Wort »Liebe« in genau dem Maße an Gehalt gewann, in dem die Liebenden von ihrer Umwelt verachtet wurden.
    Nun verschränkte Esmenet die Arme so vor der Brust, dass ihr die Hände bis zu den Schultern reichten, und sah Achamian mit einem ungeduldigen Seufzer an. »Was?«, fragte sie müde. »Was findest du schwierig, Akka?«
    Achamian wandte den Blick verletzt ab und schwieg.
    Als er erfuhr, was der Kupferschmied ihr angetan hatte, war er vor Wut fast außer sich geraten und hatte sie sogar zu einigen Schmieden gezerrt und verlangt, sie solle den Mann identifizieren. Und obwohl sie protestiert und eingewandt hatte, solche Übergriffe seien in ihrem Gewerbe nun mal an der Tagesordnung, war sie insgeheim erregt gewesen, und ein Teil von ihr hatte gehofft, Achamian werde den Mann zu Asche verwandeln. In diesem Moment hatte sie vielleicht zum ersten Mal begriffen, dass Achamian genau dies wirklich tun konnte und schon getan hatte.
    Doch sie hatten den Mann nicht aufspüren können.
    Esmenet vermutete, dass Achamian damals weiter von Schmiede zu Schmiede gestrichen war und nach jemandem Ausschau gehalten hatte, der ihrer Täterbeschreibung entsprach. Und sie zweifelte nicht daran, dass er ihn ermordet hätte, wenn er ihm in die Finger geraten wäre. Noch lange nach dem Vorfall hatte er immer wieder über den Mann gesprochen und dabei ritterlich getan, tatsächlich aber – wie Esmenet annahm – den Impuls unterdrücken müssen, all ihre Freier umzubringen.
    »Warum bleibst du eigentlich die ganze Zeit hier, Achamian?«, fragte sie nun mit streitlustigem Unterton.
    Er sah sie verärgert an und hätte offenbar am liebsten gefragt: Warum schläfst du noch mit denen, Esmi? Warum bestehst du darauf, weiter als Hure zu arbeiten, wenn ich bei dir bin?
    Weil du mich früher oder später verlassen wirst, Akka… Und bis dahin haben die Männer, von deren Geld ich lebe, andere Huren gefunden.
    Doch bevor er etwas sagen konnte, pochte es vorsichtig an der Tür.
    »Ich geh schon«, sagte Achamian und stand auf.
    Sie war tief erschrocken. »Wann kommst du wieder?«, fragte sie und gab sich alle Mühe, nicht verzweifelt zu klingen.
    »Danach«, gab er zurück. »Hinterher…«
    Er reichte ihr die Decke, und sie griff fest zu. In letzter Zeit umklammerte sie alles seltsam fest, als seien die kleinen Gegenstände des Alltags aus Glas. Sie sah Achamian die Tür öffnen.
    »Inrau!«, hörte sie ihn rufen. »Was machst du denn hier?«
    »Ich habe etwas Wichtiges erfahren«, antwortete der junge Mann außer Atem.
    »Komm rein, komm.« Achamian führte den Priester zu seinem Hocker.
    »Ich fürchte, ich bin nicht gerade vorsichtig gewesen«, sagte Inrau und wich dabei den Blicken der beiden aus. »Kann sein, dass mir jemand gefolgt ist.«
    Achamian musterte ihn einen Augenblick lang und zuckte dann die Achseln. »Na und? Priester haben schließlich eine Schwäche für Huren.«
    »Stimmt das, Esmenet?«, fragte Inrau mit nervösem Lächeln. Sie wusste, dass ihm ihre Gegenwart unbehaglich war. Und wie viele freundliche Männer bemühte auch er sich, seine Verlegenheit hinter einem gezwungenen Scherz zu verbergen.
    »Was das anbelangt, sind sie Hexenmeistern sehr ähnlich«, entgegnete Esmenet mit trockener Ironie.
    Achamian warf ihr in gespielter Entrüstung einen bösen Blick zu, und Inrau lachte nervös.
    »Also«, meinte Achamian, und die Sorge in seinen Augen strafte sein heiteres Lächeln Lügen. »Was hast du herausgefunden?«
    Inraus Gesicht nahm einen Moment lang eine kindlich konzentrierte Miene an. Er war schlank, dunkelhaarig und glatt rasiert und hatte große braune Augen und weibliche Lippen. Esmenet fand, er habe die attraktive Verletzlichkeit von jungen Männern, die schon ganz in die Nähe der bitteren Enttäuschungen geraten sind, die die Welt für sie bereithält. Solche Männer waren bei Huren sehr geschätzt, weil sie meist nicht nur für ihr Vergnügen bezahlten, sondern auch für den Schaden, den sie angerichtet hatten, vor allem aber, weil sie eine Entschädigung anderer Art boten: Solche Männer waren gefahrlos zu lieben, so also, wie Mütter zärtliche Söhne lieben.
    Ich verstehe, warum du dir solche Sorgen um

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