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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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lebten im Nordwesten nur wenige Nansur in Sichtweite der Berge, und im Süden lagen alle »alten Provinzen«, die in der Blütezeit noch zum Kaiserreich gehört hatten, im Bann des heidnischen Kian. Jetzt hallten die Trommeln der Fanim über die von ihnen besetzten Gebiete und riefen die Menschen auf, Fane anzubeten, den falschen Propheten. Und die Festung Asgilioch, die die alten Kyraneer zur Abwehr gegen Shigek errichtet hatten, bildete wieder die Grenze. Er setzte nicht das Reich aufs Spiel, sondern nur die Fiktion, es gebe eines. Es gab kein Kaiserreich zu verlieren – es gab nur eines zu gewinnen.
    »Zum Glück ist dein Sohn nicht ganz so tölpelhaft, Mutter. Die Männer des Stoßzahns werden nicht hungern. Ich versorge sie mit Proviant, aber nur mit Tagesrationen. Ich enthalte ihnen nicht vor, was sie zum Leben brauchen, aber sie sollen sich nicht mit Lebensmitteln eindecken und losmarschieren können.«
    »Und was ist mit Maithanet? Was passiert, wenn er dir befiehlt, den Truppen umfangreiche Vorräte zu liefern?«
    In Angelegenheiten des Heiligen Krieges war der Kaiser durch eine alte Vereinbarung an Weisungen des Tempelvorstehers gebunden. Xerius war verpflichtet, die Soldaten des Heiligen Kriegs großzügig zu verproviantieren, und lief widrigenfalls Gefahr, dass der Tempelvorsteher Sanktionen gegen ihn verhängte.
    »Aber Mutter, das wird er bestimmt nicht tun. Er weiß so gut wie wir, dass die Männer des Stoßzahns Dummköpfe sind und allen Ernstes glauben, Gott selbst wolle den Sieg über die Heiden. Wenn ich Calmemunis mit allem versorgen würde, was er will, würde er vierzehn Tage später in der Gewissheit weiterziehen, er könne die Fanim allein mit seinen armseligen Truppen besiegen. Maithanet wird natürlich den Empörten spielen, insgeheim aber gutheißen, was ich tue, weil er weiß, dass es nun mal einige Zeit braucht, bis die Truppen für den Heiligen Krieg aus allen Himmelsrichtungen eingetroffen sind. Warum sonst hätte er befohlen, die Männer sollten sich nicht in Sumna, sondern in Momemn sammeln? Es ging ihm nicht nur darum, meinen Geldbeutel zu strapazieren – er wusste, dass ich so handeln würde.«
    Istriya zögerte. Von einer Sekunde auf die andere hatte sie die Stirn in Falten gelegt und sah ihn nun prüfend an. Wer so clever war wie sie, musste seinen scharfsinnigen Schachzug doch einfach gutheißen!
    »Manipulierst du also Maithanet? Oder ist es nicht doch so, dass er dich manipuliert?«
    In den letzten Monaten hatte Xerius, wie er nun offen zugeben konnte, den neuen Tempelvorsteher unterschätzt. Aber das würde ihm nicht noch einmal passieren. Nicht in dieser für das Kaiserreich so entscheidenden Situation.
    Maithanet ging davon aus, Nansur sei verloren – das war Xerius klar. Seit anderthalb Jahrhunderten hatten alle Weisen und Mächtigen im Kaiserreich die Katastrophe erwartet, die Nachricht also, die Scylvendi-Stämme hätten sich wie in alter Zeit vereinigt und würden aus dem Landesinneren auf die Küsten zuhalten. So war es gewesen, als Kyraneas vor zweitausend Jahren und als das Ceneische Reich über zehn Jahrhunderte später untergegangen war. Und so würde auch Nansur untergehen – davon war Xerius überzeugt. Was ihn an dieser anscheinend unvermeidlichen Aussicht allerdings wirklich entsetzte, war die damit korrespondierende Entwicklung, dass es dem heidnischen Volk der Kianene auf Kosten des stets stärker darbenden Nansur immer besser ging. Wer würde, wenn die Scylvendi erst abgezogen wären (und sie zogen immer ab), wer also würde die Kianene dann davon abhalten, das Völkergemisch von Kyraneas auszulöschen und die drei Herzen Gottes – also Sumna, die Tausend Tempel und den Stoßzahn – auszureißen?
    Ja, dieser Tempelvorsteher war raffiniert. Xerius bedauerte es nicht länger, dass die von ihm gedungenen Mörder versagt hatten. Maithanet hatte ihm ein unvergleichliches Werkzeug in die Hand gegeben – einen Heiligen Krieg.
    »Unser neuer Tempelvorsteher«, sagte er nun, »wird stark überschätzt.«
    Soll er ruhig denken, dass er mich manipuliert.
    »Aber wozu soll all das dienen, Xerius? Selbst wenn die Hohen Herren unter den Heiligen Kriegern sich deinen Forderungen beugen, glaubst du doch hoffentlich nicht ernstlich, dass sie ihr Blut vergießen, um die Flagge mit der Kaiserlichen Sonne zu hissen? Sogar unterschrieben ist dein Vertrag wertlos.«
    »Nein, Mutter. Selbst wenn sie ihren Eid brechen sollten, ist der Vertrag nicht wertlos.«
    »Wirklich,

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