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Schattenfall

Schattenfall

Titel: Schattenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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durchs Getümmel. Er hörte Lanzen splittern und Pferde wiehern und fing an, den Bauchgürtel seines Kettenhemds mit dem Messer zu bearbeiten. Männer prallten gegen ihn, und er stolperte. Im gleichen Moment, da er den schwarzen Umriss eines Reiters der Kidruhil riesig vor der lodernden Sonne auftauchen sah, gelang es ihm, sein Kettenhemd abzustreifen, und er fuhr herum, um sich in den Kiyuth zu stürzen. Da aber bekam er einen furchtbaren Schlag auf den Kopf, der ihn Sterne sehen und erst auf die Knie, dann aufs Gesicht fallen ließ.
    Ringsum waren nur Schreie und Klagen zu hören. Und Körper, die ins reißende Gebirgswasser fielen.
    Ich ende beinahe wie mein Vater, dachte er noch. Dann wurde es Nacht um ihn.
    Er hörte heisere, erschöpfte Stimmen vor dem Hintergrund betrunkener Gesänge. Sein Kopf schmerzte wie am Boden festgenagelt. Sein Körper war bleischwer und träge wie Schlamm, und er konnte kaum einen Gedanken fassen.
    »Sieht aus, als würden sich die Kerle gleich nach dem Tod aufblähen.«
    Er schrak zusammen. Die Stimme war von hinten gekommen und schien sehr nah. Ob das Plünderer waren?
    »Hast du etwa schon wieder einen Ring gefunden?«, rief eine zweite Stimme. »Dann schneid doch einfach den Finger ab!«
    Cnaiür hörte in Sandalen steckende Füße durchs Gras hasten und näher kommen. Um nicht durch rasche Bewegungen Aufmerksamkeit zu erregen, probierte er seine Finger und Handgelenke ganz langsam aus: Sie ließen sich bewegen. Vorsichtig tastete er unter seinen Gürtel, umklammerte sein Chorum mit kribbelnden Fingern, zog es heraus und drückte es in den Schlamm.
    »Der ist furchtbar empfindlich«, stellte eine dritte Stimme fest. »Das ist er immer gewesen.«
    »Bin ich nicht! Aber das ist doch… das ist…«
    »Was ist es denn?«
    »Frevel ist das. Die Toten zu berauben, ist eine Sache. Sie zu schänden, ist etwas anderes.«
    »Muss ich dich wirklich daran erinnern«, fragte die dritte Stimme, »dass es sich hier um tote Scylvendi handelt? Es ist kaum möglich, Leute zu schänden, die ohnehin verflucht sind… Hoppla, hier liegt wieder einer, der noch lebt.«
    Er hörte, wie eine verdreckte Klinge kratzend gezogen wurde, dann einen dumpfen Streich und ein erstickendes Röcheln. Obwohl ihm das Herz im Hals schlug, drückte Cnaiür sein Gesicht in den Dreck und ließ so viel Schlamm in den Mund geraten, wie er nur aushalten konnte.
    »Ich kriege den verdammten Ring noch immer nicht vom…«
    »Jetzt hack den blöden Finger doch endlich ab, Mensch!«, rief die zweite Stimme. Sie war nun so nah, dass sich Cnaiürs Nackenhaare sträubten. »Beim allerletzten Propheten! Da hat der Kerl als Einziger das Glück, bei diesen stinkenden Wilden Gold zu finden, und dann lähmen ihn Skrupel! Aber was haben wir denn hier? Eine echte Bestie! Guter Sejenus – seht euch mal diese Narben an!«
    »Conphas will angeblich, dass wir alle Köpfe abschlagen und einsammeln«, sagte die dritte Stimme. »Da kommt’s auf einen Finger nicht an!«
    »Schaut mal! Wenn man da ein bisschen Spucke nimmt… könnten das Rubine sein, oder?«
    Eine raue Hand packte Cnaiür an der Schulter und hob seinen Oberkörper ein Stück aus dem Dreck. Mit halb offenen Augen in die sinkende Sonne blicken, die Glieder in vorgeblicher Leichenstarre anspannen und den mit Schlamm verschmierten Mund in sardonischem Grinsen verzerrt halten zu müssen und bei alldem nicht mal atmen zu dürfen!
    »Jetzt kommt doch mal her«, sagte ein bedrohlich aufragender Schemen. »Seht euch diese Narben an – der hat Hunderte umgebracht!«
    »Für so einen sollte es Kopfgeld geben. Jede Narbe steht für einen unserer Landsleute – Wahnsinn, oder?«
    Hände tasteten seinen Körper ab und stocherten und wühlten in allen Taschen herum. Nicht atmen! Starr und reglos bleiben!
    »Vielleicht sollten wir ihn zu Gavarus bringen«, schlug die erste Stimme vor. »Könnte doch sein, dass sie ihn aufknüpfen wollen oder so.«
    »Tolle Idee«, sagte der Schemen mit beißendem Hohn. »Und du schleppst ihn hin, ja?«
    Gelächter. »Großartige Idee, ehrlich«, pflichtete die zweite Stimme süffisant bei. »Hast du was gefunden, Naff?«
    »Nicht das Geringste«, antwortete der Schemen und ließ Cnaiür zurück in den Schlamm fallen. »Der nächste Ring, den du findest, gehört mir, du kleiner Drecksack. Sonst hack ich dir die Finger ab!«
    Ein Tritt aus dem Dunkel ließ ihn einen Schmerz spüren, wie er ihn nie erlebt hatte. Sein ganzer Körper schien in Flammen zu stehen,

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