Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz
Wahnsinn? Was bekommt Ihr dafür? Mein Sohn ein Ketzer, ein Hexer der schwarzen Kunst, ein Aufrührer? Ihr wisst nicht, was Ihr da sagst! Nur weil ihn die große Zehe juckt, wenn es Regen gibt, und er das eine oder andere Mal eine Vorahnung von Dingen hatte, die dann auch zufällig eingetreten sind, nur deshalb behauptet Ihr, er sei ein Ketzer, ein Hexer? Werft eine Münze und ich sage Euch voraus, es wird Kopf oder Zahl sein! Nur deshalb verschleppt Ihr mich und besetzt mein Gut? Wo ist meine Frau? Wo ist mein Sohn? Verflucht sollt Ihr sein, Ihr ehrloser Hund …“
„Ah“, sagte Etzelroth gelassen, „wie schön, endlich einmal dein wahres Ich zu erkennen! Jetzt weiß man auch, woher dein armer Sohn Berthold diese Plage mit den Ahnungen hat. Du bist vielleicht am Ende der Hexenmeister, der seine Künste an ihn weitergegeben hat. Ja, mir scheint, dass du der Quell allen Übels bist. Da haben wir ja einen großen Fang gemacht!“
Etzelroth lachte laut und unangenehm. Seine Stimme hallte in dem düsteren Gemäuer. Peter Graychen wurde schlagartig klar, dass er dem Vogt ins offene Messer gelaufen war. „Etzelroth, lasst meine Margarethe aus dem Spiel und vor allem meine Söhne“, presste er mühsam beherrscht hervor. „Nichts haben sie mit mir zu tun. Ja, vielleicht bin ich der Hexenmeister, aber in Gottes Namen, verschont sie! Lasst sie in Frieden! Sie haben keiner Seele jemals etwas zuleide getan. Ja, Ihr habt recht! Ich bin der, der Fledermäuse lebendig frisst und ich bete rückwärts das Vaterunser. Ich habe den bösen Blick, bringe Flüche und die Pest und mir hängt der Pferdeschweif hinten heraus. Ich kenne die vier Reiter der Apokalypse. Ich habe sie oft gesehen. Mich habt Ihr gesucht!“
„Hör auf mit deinem Gejammer, Graychen!“, zischte Etzelroth. „Ich sage dir, wie es um euch bestellt ist. Und ich sage dir auch, dass es ganz allein in deiner Hand liegt, ob du und deine Familie weiterleben können oder ob man an euch vielleicht ein Exempel statuieren muss. Sage mir, wo Berthold ist, und du, deine Frau und dein Sohn werden sofort freigelassen. So einfach ist es.“
Der Vogt sagte ihm nicht, dass Margarethe und Robert Graychen schon nicht mehr im Wildbann waren, sondern bereits seit Stunden auf dem Weg zur Saarburg des Markgrafen Johann von Baden. Etzelroth hatte sich ohnehin fest vorgenommen, dieser ganzen Sippschaft mit einem Mal den Garaus zu machen. Peter Graychen steckte zu tief in der Sache drin und niemand wusste, wie viel Berthold mit seinen seltsamen Ahnungen bereits erfahren und vielleicht an seine Eltern oder seinen Bruder weitergegeben hatte. Die große Sache war zu wichtig und zu lohnend, als dass man sie durch einen dahergelaufenen und völlig unbedeutenden Hübnersohn hätte gefährden dürfen. Die Gelegenheit war einfach günstig, um unliebsame Mitwisser loszuwerden. Und so ganz nebenbei fielen auch noch etwas Geld und Güter für ihn ab. Der Vogt grinste zufrieden
Peter Graychen sah ihn hasserfüllt an. „Ich soll also das Leben meines ältesten Sohnes gegen mein eigenes, das meines jüngeren Sohnes und das meiner Frau eintauschen? Was für ein gottloses Schwein seid Ihr, Etzelroth, dass Ihr mir solch einen Handel vorschlagt? Ihr sollt jämmerlich verrecken und in der Hölle schmoren für alle Ewigkeit!“ Angewidert spuckte er aus. Wären die Ketten auch nur eine Elle länger gewesen, so hätte er sofort versucht, Etzelroth mit bloßen Händen zu töten.
Der Vogt schaute Peter Graychen mit kalten Augen an, lächelte eisig und schritt in sicherer Entfernung vor ihm auf und ab. Er sah den Hass in den Augen seines Gefangenen und seine wütende Entschlossenheit. Das machte das ganze für ihn umso reizvoller, konnte er doch seine Macht erst richtig auskosten, wenn es galt, den Willen solcher Gefangener zu brechen. Etzelroth genoss den Augenblick sichtlich.
„Nun, du kennst jetzt meinen Vorschlag. Du und der Rest deiner Familie gegen Berthold. Das ist leider das Einzige, was ich dir anbieten kann. Oder aber du schweigst weiter und wir werden sehen, was die Folter bei dir so bewirkt. Oder vielleicht bei deiner Frau?“
Etzelroth grinste widerlich, bevor er herablassend fortfuhr: „Wir finden Berthold so oder so, glaub mir. Aber wenn du noch etwas retten willst, dann sag mir, was du weißt. Tust du es nicht, dann werdet ihr alle ausgelöscht, das verspreche ich dir, so wahr ich hier stehe. Ich gebe dir ausreichend Zeit, über deine Schandtaten und die deines Sohnes nachzudenken.
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