Schattenfehde - Verschwoerung gegen Hessen und Kurmainz
verhört, aber wir werden ihm bei passender Gelegenheit die Quittung für seinen Verrat präsentieren. Das Wichtigste ist im Augenblick, dass er keine Informationen mehr an Adolph von Nassau liefern kann. Und nun lasst uns beraten, wie es weitergehen soll.“
Zehn Tage nach diesem Vorfall, am Montag, dem 21. August 1461, überbrachte ein Bote Wolfram Etzelroth eine versiegelte Nachricht. Das Schreiben kam direkt von Ulrich von Hachberg und enthielt nur einen einzigen Satz: „Lasst die Lämmer frei!“
Die Würfel waren also gefallen. Der Vogt erhob sich, holte Federkiel und Tintenfass und begann auf einem leeren Blatt seine Anweisungen zu verfassen. Nachdem er die Tinte mit Streusand abgelöscht hatte, faltete er sorgfältig den Brief und presste sein offizielles Siegel in das heiße Wachs, das er auf die überlappende Kante geträufelt hatte. Dann schickte er nach seinem Sohn.
Hermann von Etzelroth begab sich unverzüglich zu den Stallungen, wo die Knechte sein Pferd bereits an den Zügeln bereithielten, schwang sich in den Sattel und preschte durch die Dreieichenhayner Altstadt zum Obertor hinaus und in Richtung Langen davon. Hermann ritt durch den Forst, der sich wie ein grüner Gürtel um Dreieichenhayn schlang und bis nach Langen zog. Nach etwa fünfzehn Minuten erreichte er das östliche Stadttor von Langen, wo er absaß und der Stadtwache grußlos die Zügel seines Pferdes zuwarf. Schnellen Schrittes ging er durch das rot ummauerte Bruchsteintor und wandte sich nach ungefähr fünfzig Schritten nach rechts. Plötzlich hielt er kurz inne, blickte zu Grubers Schankwirtschaft hinüber und sah sich ein zweites Mal im Sterzbach liegen – geschlagen von Berthold Graychen, einem Krüppel. Seine Hand ballte sich zur Faust.
Hermann überquerte den Bachlauf und stand schließlich vor dem Haus des Stadtschreibers Ambrosius Kufner. Er gab dem Mann, der gegenüber im Halbschatten wartete und das Haus beobachtete, ein Zeichen zu verschwinden. Dann trat er durch den kleinen Garten auf die Tür zu und begann ungeduldig mit der Faust dagegen zu hämmern.
Katharina öffnete und erschrak, als sie den Sohn des Vogtes erblickte.
„Hier, ich habe eine offizielle Anweisung für den Stadtschreiber und seinen Gehilfen“, sagte Hermann in verächtlichem Tonfall und hielt Katharina das Schreiben des Vogtes unter die Nase. Zögerlich wollte Katharina den Brief entgegennehmen, aber Hermann zog ihn zurück und zischte: „Weißt du, was man mit Verrätern macht und denen, die ihnen helfen? Eines Tages werde ich es dir und deinem Geliebten beibringen!“
Er warf den Brief vor Katharinas Füße und machte auf dem Absatz kehrt. Nach zwei Schritten drehte er sich nochmals um und sagte drohend: „Denk an meine Worte. Du wirst dir noch wünschen, Berthold Graychen niemals gekannt zu haben!“, bevor er schnurstracks durch den Garten ging und links um die Ecke bog. Katharina hob den Brief auf und schloss die Tür.
„Wer war das?“, rief ihr Vater aus seiner Schreibstube heraus.
„Hermann Etzelroth.“
Ein Stuhl wurde gerückt und sofort erschien das angespannte Gesicht Ambrosius Kufners in der Tür.
„Was wollte er?“
Wortlos überreichte ihm Katharina den Brief.
Ambrosius Kufner betrachtete das offizielle Siegel. „Von Vogt Etzelroth höchstselbst“, murmelte er, entfaltete das Blatt und las die knappen Anweisungen. Dann ließ er die Hand mit dem Brief sinken und sagte: „Gut, nun ist es soweit, ganz wie es Etzelroth angekündigt hatte. Wir sollen fort.“
„Wohin?“, fragte Katharina.
„Nach Dieburg, also nicht allzu weit von hier, aber immer noch zwei Tage entfernt. Wir sollen schon morgen abreisen, um unsere Arbeit dort so schnell wie möglich aufnehmen zu können.“
„Etwas stimmt da nicht“, sagte Katharina.
„Ja, ich weiß“, pflichtete ihr Ambrosius Kufner bei, „aber wir haben keine andere Wahl, als der Anweisung zu folgen. Aber wir müssen vorsichtig sein.“
Die Tür zum Turmverlies wurde aufgesperrt, ein Mann trat ein und es schien, als würde der ganze Raum noch kälter, als er ohnehin schon war. Robert und Margarethe Graychen, die gerade auf dem Boden aßen, stellten die groben Holzschalen mit Haferschleim beiseite und blickten gespannt auf den Unbekannten, der die Tür hinter sich schloss und sich ihnen zuwandte.
Ein dunkelroter Umhang hing lang und Falten werfend von den knöchernen Schultern des Mannes herab, dessen Gesicht im Schatten eines tief in die Stirn gezogenen,
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